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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6
Ein Kunstprozeß vor dem Breslauer Schöffengericht. Böcklin–Muther

temperamentvoll geschrieben ist, gebe ich zu. Professor Muther, der vom Staate angestellt ist, um die akademische Jugend Kunstgeschichte zu lehren, hat die Pflicht, darüber zu wachen, daß die Kunstgeschichte nicht gefälscht wird. Wenn ein solcher Mann seine schützende Hand über das Strahlende hält, wie es in dem vorliegenden Falle geschehen ist, dann kann er nicht anders als temperamentvoll schreiben. Professor Muther muß aber auch schon deshalb freigesprochen werden, da er jedenfalls nicht die Absicht der Beleidigung hatte. Carlo Böcklin ist Herrn Professor Muther vollständig gleichgültig, ein Stück Luft. Carlo Böcklin ist ein ganz einfacher Maler, der nichts versteht. Wenn Professor Muther jeden Maler, der nichts kann, beleidigen wollte, dann käme der Herr Angeklagte nicht aus dem Gerichtssaale heraus. Laut Reichsgerichtsentscheidung steht aber dem Angeklagten schon der § 193 des Strafgesetzbuches zur Seite, wenn er nur glaubt, in Wahrnehmung berechtigter Interessen zu handeln. Daß Professor Muther diesen Glauben gehabt hat, muß doch auf alle Fälle angenommen werden. Die Freisprechung des Angeklagten muß daher aus juristischen Gründen erfolgen. Mag aber Ihr Urteil ausfallen, wie es wolle: Herr Professor Muther geht aus dem Prozeß als glänzender Sieger hervor. Er hat jedenfalls das Bewußtsein, der Welt, speziell der Kunst, einen großen Dienst geleistet zu haben. – Vertreter des Privatklägers, R.-A. Dr. Jaffé: Ich bin selbstverständlich nicht imstande, auf alle Einzelheiten einzugehen, die der Herr Verteidiger vorgebracht hat. Jedenfalls hat der Herr Kollege eine Reihe unerwiesener Behauptungen hier angeführt. Soviel steht fest, die venetianischen Bilder sind echt, zum mindesten ist deren Unechtheit nicht nachgewiesen. Die ausgestellten Bilder sind doch nur als „Böcklinscher Nachlaß“ bezeichnet worden. Daß Carlo Böcklin den Wahrheitsbeweis nur auf die Venetianische Ausstellung beschränkt haben wollte, kann man ihm nicht verdenken. Im

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/85&oldid=- (Version vom 31.7.2018)