Juden zu ihren rituellen Zwecken Christenblut brauchen. Der Herr Professor ist nun in der talmudischen Wissenschaft eine Autorität ersten Ranges. Ich richte deshalb die Frage an den Herrn Professor, ob in den Religionssatzungen der Juden etwa die Blutabzapfung Andersgläubiger geboten ist?
Professor Dr. Nöldecke: Der Talmud ist allerdings eine Sammlung von Gesetzen und Erklärungen von vielen Jahrhunderten und in solchem Umfange, daß Niemand mit voller Sicherheit sagen kann, was nicht in dem Talmud steht. Ich habe aber genau den Talmud nach einer solchen Stelle durchforscht und kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, daß eine solche Satzung nicht in demselben enthalten ist.
Verth. Rechtsanwalt Gammersbach: Im Jahre 1885[WS 1] hat vor dem Wiener Gericht ein Prozeß Rohling contra Bloch stattgefunden. In diesem Prozeß ist der Herr Professor ebenfalls als Sachverständiger aufgetreten und hat dort bekundet, daß ihm keine Stelle in einem jüdischen Gesetzbuch gekannt sei, die von Ritualmord spreche.
Professor Dr. Nöldecke: Der bekannte Professor Rohling behauptete damals, daß wohl nicht im Talmud aber in Sohar und Sefer Halkutim der Ritualmord vorgeschrieben sei. Wenn auch diese Bücher nicht von allen Juden anerkannt werden, so gelten sie doch bei einem Theile der Juden noch als heilig. Ich habe nun im Sohar und Sefer Halkutim nachgeforscht, aber auch nichts gefunden, was auf einen Ritualmord hindeutet. Ich kann es nur als durch und durch frivol bezeichnen, wenn man behauptet, die Juden brauchen zu rituellen Zwecken Christenblut. Ebenso frivol ist es, wenn diese Beschuldigung immer und immer wiederholt wird. Ich füge hinzu, mit der derselben Sicherheit, wie ich behaupten kann, im Talmud steht nichts vom Eisenbahnwesen, mit derselben Sicherheit kann ich behaupten, daß im Talmud nichts vom Ritualmord enthalten ist. Der verstorbene Professor Dr. Delitzsch in Leipzig, einer der größten Kenner des Talmud, hat die Blutbeschuldigung auf’s Bestimmteste widerlegt und dieselbe ebenfalls als frivol bezeichnet. Professor Dr. Eisenmenger, der kein Judenfreund, aber ein sehr ehrlicher Charakter war, hat ebenfalls bekundet, daß er keine Stelle gefunden habe, die darauf hindeute, daß den Juden der Ritualmord vorgeschrieben sei.
Vertheidiger Rechtsanwalt Gammersbach: Ist es nicht den Juden auf’s Strengste verboten, Blut zu essen?
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: 1883, letzte Ziffer möglicherweise handschriftlich korrigiert; vgl.: Josef Kopp: Zur Judenfrage nach den Akten des Prozesses Rohling-Bloch. Leipzig : Julius Klinkhardt, 1886. PDF-Digitalisat
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/27&oldid=- (Version vom 20.6.2022)