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gleich nach dem deutsch-französischen Kriege begannen aber wieder die Zusammenkünfte der Homosexuellen, die eine Zeitlang unterblieben waren. Einen Hauptsammelpunkt bildete damals das im Norden Berlins am Weinbergsweg belegene Nationaltheater. Dieser Musentempel war trotz seiner Lage im sogenannten Berliner Vogtland, der eigentlichen Arbeitervorstadt Berlins, ein klassisches Theater ersten Ranges. Der königliche Hofschauspieler Hermann Hendrichs[WS 1], ein sehr bekannter Homosexueller, gastierte oftmals in diesem Theater. Auch die anderen Schauspieler waren fast sämtlich Künstler ersten Ranges und zumeist Homosexuelle. Die Tragödinnen Klara Ziegler und Felicita von Vestvali, die beide ebenfalls im Rufe der Homosexualität standen, haben im Nationaltheater oftmals gastiert. Der Direktor G.[WS 2] selbst war homosexuell. Zu den ständigen Besuchern des Nationaltheaters gehörte Prinz Georg von Preußen (am 12. Februar 1826 geboren). Er war der Sohn des Prinzen Friedrich von Preußen, des ältesten Neffen des Königs Friedrich Wilhelm III., war General der Kavallerie und bewohnte mit seinem gleich ihm unvermählt gebliebenen Bruder, dem Prinzen Alexander, geboren 1821, gemeinsam das in der Wilhelmstraße belegene Palais, auf dessen Rampe ein Militär-Doppelposten stand. Prinz Georg, ein hochgebildeter Mann, war, dem Vernehmen nach, der einzige preußische Prinz, der den Krieg von 1870/71 nicht mitgemacht hat. Im Nebenberuf war der Prinz Schriftsteller. Er hat unter dem Pseudonym G. Conrad eine Reihe dramatischer Dichtungen veröffentlicht, die zum größten Teil mit sehr günstigem Erfolge aufgeführt wurden. Das erste Aufführungsrecht aller vom Prinzen verfaßten Dramen hatte das Nationaltheater. Zu den Freunden des Prinzen und ständigen Besuchern des Nationaltheaters gehörte in früheren Jahren auch v. Zastrow und – trotz seiner radikalen politischen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hermann Hendrichs (1809–1871), bis zu seiner Pensionierung 1864 am Berliner Hoftheater.
  2. Friedrich Gumtau (1818–1887), von 1871 bis 1874 Direktor des National-Theaters.