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wie Sie das Schuldig aussprechen können. Der Staatsprocurator, der Wächter des Gesetzes trug auf Verwerfung gegen den erlassenen Rathskammerbeschluß an; Sie haben Urtheile von Männern, von denen wir wissen, daß sie ihrer Ueberzeugung und ihrer politischen Meinung gefolgt sind. Im Artikel 102 wird die Rede bestraft, die unmittelbar ein Attentat nach sich ziehet. Ich hoffe, an Ihr günstiges Urtheil appelliren zu können. Zum ersten Male haben wir heute den Tag, daß gleiche Staatsbürger zu Gerichte sitzen über den Dichter Freiligrath. Ich glaube nicht daß die Staatsbehörde durch das kurze und treffende Bild auf Ihre Ueberzeugung influiren wird. Sie sitzen nicht zu Gericht, um zu urtheilen, ob eine Persönlichkeit verletzt worden, es gilt nur dem Attentate.

 Es ist der Pfad des Dichters immer ruhig gewesen und nicht können Sie ihm vorwerfen, daß er habe aufregen wollen. Der Redner der Regierung hat bei Abfassung des Artikels 102 dahingedeutet. Beranger ist verurtheilt worden, weil er gegen Karl X. gesprochen, aber das Urtheil, was damals über seine polit. Meinung erging, ist durch seine Ehre, mit der man ihn später bekleidete, vernichtet worden.

 Unsere herrlichsten Geschichtswerke müßten in Trauer begraben werden, wenn die Schriftsteller sich nicht hätten verantworten können. Sehen Sie auf Klopstock. Lesen Sie die Worte Schiller’s in Don Carlos, (Marquis Posa), lesen Sie den Tell (Tod der Tyrannen!) Es ist diesen kein Preßproceß gemacht worden.

 Unser Dichter hat keinen äußern Lohn gewollt. Eine Anerkennung hat er von Sr. Majestät dem König bekommen, aber er hat nur in Ostende gesagt: ich bin kein Royalist und will nicht gesagt wissen, als hätte ich doch von einem Könige Geld bekommen. Er ging nach England und arbeitete dort als Kaufmann in nicht glänzenden Verhältnissen. Als er von Deutschlands

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Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/58&oldid=- (Version vom 18.8.2016)