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die Klage dennoch an den Assisenhof zu bringen. Sie werden daher nicht das Schuldig aussprechen.

 Ich gehe zur zweiten Stelle über:

„die rothe Fahne läßt er weh’n . . . .

Was sagt der Dichter? Du Bürgerwehr folge der rothen Fahne? Hat er gesagt: Schließ dich der Revolution an?! Nein.

 Die gefallenen Barrikadenkämpfer sehen wir im Traume einen zweiten Krieg in der Zukunft, auf den sie hinweisen. Wie kann hierin eine Aufforderung liegen. Ich kann zu Gewaltthat auffordern, wenn sie für die ferne Zukunft sei, das würde eine lächerliche Aufforderung sein. Die Barrikadenhelden sagen, daß es noch zu früh sei; die Zukunft werde das erfüllen, was unser Herz erfüllt; sie rufen: haltet euch wach. Conspiriren kann man nur für die Zukunft, Aufreizen nur für die Gegenwart. Es bleibt Jedem die Ueberzeugung, an die Prophezeihung zu glauben, und Cassandra ruft: „Folgt seit Iliums Tagen den Propheten.“

 Ich könnte Sie an Prophezeiungen erinnern, die der Dichter, der hier auf der Anklagebank sitzt, vor 2 Jahren verkündet und die heute eingetroffen sind. Ich möchte Sie warnen, darüber nicht den Stab zu brechen, damit die Zukunft nicht richte über diesen Spruch. Das führt mich hinüber zu dem historisch-politischen Punkte in dem Gedichte. Das öffentliche Ministerium hat richtig gerechnet, wenn es von der Revolution spricht; wir stehen auf revolutionärem Boden, es ist ein provisorischer Zustand der Formen, die die konstitutionelle Monarchie hat. Die Gestalten der Zukunft gehören allen Parteien an und ein Jeder hat das Recht, allen Idealen nachzustreben; von einem Umsturz scheint mir nicht Rede zu sein.

 Es muß gestattet sein, unsern Besitz so zu wahren wie wir ihn erhalten haben. Alle Statuten der Bürgerwehr deuten dahin,

Empfohlene Zitierweise:
Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/52&oldid=- (Version vom 18.8.2016)