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 Das ist das Gedicht in seinem Zusammenhange. Nun frage ich Sie, was ist der Inhalt dieses poetischen Ergusses? Die gefallenen Märzkämpfer klagen, daß Alles wieder verloren, was sie trotzig errungen; sie schließen dann die Klage an: „Auch Alles hast du gelitten!“ Hieran knüpft sich die Prophezeihung mit der Warnung: Bis zum Tage, wo zum zweitenmal sich das Ereigniß zeigt, bis dahin seiet besonnen und wachsam. Eine Aufreizung zur Waffengewalt gegen die Königliche Macht ist nicht darin enthalten.

 Die Anklage hat nur einzelne Stellen herausgehoben und es wird sich zeigen, ob diese Stellen eine Aufreizung enthalten. Durch die Worte:

O, Volk und immer Friede . . . .

sagt das öffentliche Ministerium, will der Verfasser den Krieg; er wendet sich ans Volk, er will, daß er herausgeschüttelt werde.

 „Die rost’ge Büchse legt er an“ . . . — das sei nur Krieg; ja, wenn es erlaubt wäre, Alles wegzulassen, was dazwische stehtn [WS:dazwischen steht].

 Aber das öffentliche Ministerium hat es für gut gefunden, jenes wegzulassen. Die Stelle: „O, Volk“ etc. ist die Pointe der Klage; allerdings beschweren sich die Todten, daß man es duldet. Schüttelt den Krieg heraus! ist eine Redeform. Ich kann mich beschweren auf allerlei Weise; ich kann meine Klage so aussprechen, daß ich stürmisch fordere, was ich will.

 Diese starke Form ist es, welche der Dichter gewählt hat. Gleich das nächste Wort heißt: Umsonst. – Wenn ich auffordere und ich weiß, daß meine Aufforderung keinen Erfolg gehabt und daß man keine Rücksicht darauf nehmen will, dann kann nicht der allergeringste Zweifel über diese Interpretation sein. Die berühmte Rede des Antonius am Grabe Cäsars, wurde behauptet, sei eine indirekte Aufreizung; aber es ist meine

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Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/50&oldid=- (Version vom 18.8.2016)