Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/49

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nicht, jenem abgethanen Mann, wie damals, uns zu zeigen –
Nein, zu den Zelten, auf den Markt, in’s Land mit uns zu steigen!
Hinaus in’s Land, so weit es reicht! Und dann die Insurgenten
Auf ihren Bahren hingestellt in beiden Parlamenten!
O ernste Schau! Da lägen wir, im Haupthaar Erd’ und Gräser,
Das Antlitz fleckig, halbverwest — die rechten Reichsverweser!
Da lägen wir und sagten aus: Eh’ wir verfaulen konnten,
Ist eure Freiheit schon verfault, ihr trefflichen Archonten!
Schon fiel das Korn, das keimend stand, als wir im Märze starben:
Der Freiheit Märzsaat ward gemäht noch vor den andern Garben!
Ein Mohn im Felde hier und dort entging der Sense Hieben –
O, wär’ der Grimm, der rothe Grimm im Lande so geblieben!
Und doch, er blieb! Es ist ein Trost im Schelten uns gekommen:
Zu viel schon hattet ihr erreicht, zu viel ward euch genommen!
Zu viel des Hohns, zu viel der Schmach wird täglich euch geboten:
Euch muß der Grimm geblieben sein – o, glaubt es uns, den Todten!
Er blieb euch! ja, und er erwacht! er wird und muß erwachen!
Die halbe Revolution zur ganzen wird er machen!
Er wartet nur des Augenblicks: dann springt er auf allmächtig;
Gehobnen Armes, weh’nden Haars dasteht er wild und prächtig!
Die rost’ge Büchse legt er an, mit Fensterblei geladen;
Die rothe Fahne läßt er weh’n hoch auf den Barrikaden!
Sie fliegt voran der Bürgerwehr, sie fliegt voran dem Heere –
Die Throne geh’n in Flammen auf, die Fürsten flieh’n zum Meere!
Die Adler flieh’n, die Löwen flieh’n: die Klauen und die Zähne! –
Und seine Zukunft bildet selbst das Volk, das souveräne!

Indessen, bis die Stunde schlägt, hat dieses unser Grollen
Euch, die ihr vieles schon versäumt, das Herz ergreifen wollen!
O, steht gerüstet! seid bereit; o, schaffet, daß die Erde,
Darin wir liegen strack und starr, ganz eine freie werde!
Daß fürder der Gedanke uns nicht stören kann im Schlafen:
Sie waren frei: doch wieder jetzt – und ewig! – sind sie Sklaven!

___________________
Empfohlene Zitierweise:
Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/49&oldid=- (Version vom 18.8.2016)