Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/26

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Der Oberprokurator Schnaase hatte alsbald nach dem Erscheinen des Gedichtes sich gegen die in demselben ausgesprochenen Meinungen und Aeußerungen erhoben, um den Verfasser desselben in Anklagezustand zu versetzen. Er stellte demgemäß an den L.-G.-Rath Merrem folgenden Antrag, den wir in wörtlicher Fassung mittheilen:

Es wird in hiesiger Stadt seit vorgestern ein Gedicht mit der Ueberschrift: „die Todten an die Lebenden“, gedruckt in der hiesigen Franck'schen Buchdruckerei und mit der Unterschrift des Verfasser's Ferdinand Freiligrath für 1 Sgr. verkauft und vielfach verbreitet. – Dasselbe enthält eine directe Aufreizung der Bürger, die Regierung umzustürzen und zu verändern – und sich gegen die königliche Gewalt zu bewaffnen. Sie ist namentlich in folgenden Versen enthalten:

«O Volk und immer Friede nur in deines Schurzfell’s Falten?
„Sag’ an, birgt es nicht auch den Krieg? den Krieg herausgeschüttelt!
„Den zweiten Krieg, den letzten Krieg mit Allem, was dich büttelt,
„Lass deinen Ruf: „die Republik" die Glocken überdröhnen,
„Die diesem allerneuesten Johannesschwindel tönen!

und ferner in den Versen, wo der Grimm des Volkes angeredet wird:

„Er wartet nur des Augenblicks: dann springt er auf allmächtig,
Gehob’nen Armes, weh’nden Haar’s, da steht er wild und prächtig!
Die rost’ge Büchse legt er an, mit Fensterblei geladen,
Die rothe Fahne läßt er weh’n, hoch auf den Barrikaden!
Die Throne geh’n in Flammen auf, die Fürsten flieh’n zum Meere u. s. w.

Das Gedicht enthält ferner die stärksten Beleidigungen und Verläumdungen Sr. Majestät des Königs. – Kennt unser Gesetzbuch auch die Majestätsbeleidigung nicht als ein besonderes Verbrechen, so kann doch der König des Schutzes nicht beraubt werden, den jeder Bürger genießt; er ist die erste Magistratsperson des Landes, wenn man ihn nicht höher stellt. –

Empfohlene Zitierweise:
Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/26&oldid=- (Version vom 18.8.2016)