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Es war in den ersten Tagen des Augustes, als mit einem Male überall in unserer Stadt ein Gedicht von Ferdinand Freiligrath: „Die Todten an die Lebenden“ — genannt, gekauft, gelesen und besprochen wurde. Es machte dasselbe solches Aufsehen und nahm so sehr die öffentliche Meinung in Anspruch, daß wir das Erscheinen des Gedichtes wohl „ein politisches Ereigniß“ nennen dürfen. Vielen war das Gedicht eine unwillkommene Gabe, viele dagegen begrüßten es; Alle aber sprachen die gleiche Besorgniß aus, der Dichter könne leicht dadurch auf einige Zeit in Untersuchungshaft gebracht werden. Bald aber schwand diese Besorgniß, als man eine Woche und die zweite verfließen sah, ohne daß es auch nur verlautet hätte, Freiligrath werde zur Untersuchung gezogen. Der Dichter ging frei unter uns umher, lebte zufrieden im Kreise seiner Familie und beglückt durch den Umgang mit Freunden, die ihm mit ganzem Herzen anhingen. Hatte man jedoch Kunde davon gehabt, was in den Rathskammern des Königlichen Gerichtshofes vorging und daß dort über Freiligrath’s Wohl und Wehe Verhandlungen gepflogen, so würde die Verhaftung des Dichters nicht so ganz unerwartet gekommen sein.

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Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/25&oldid=- (Version vom 17.8.2016)