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Uebersetzers sich erworben, welcher die Ideen fremder Meister in unsere Sprache überträgt, um dieselbe in Kauf zu bringen und dabei alle ureigene Kraft verleugnet und verliert, sondern wir müssen gestehen, daß er das Höchste erreichte, was in der Uebersetzungskunst zu erreichen ist; denn übersetzt er auch, so ist er doch stets selbstschaffend, indem er dahin strebt, das Colorit des Originals nicht zu verwischen, sondern dasselbe noch zu verschönen und zu beleben. Seine übrigen Uebersetzungen aus dem Englischen und Französischen beweisen dies noch mehr und wir dürfen wegen der Kürze dieser Abhandlung nur auf dieselben hinweisen.

Freiligrath’s eigentlich bedeutsame literarische Thätigkeit beginnt in dieser Zeit, und obgleich seine Naturanlage reich genug und sein Wille fest und standhaft war, während der prosaischen Beschäftigung eines Wechselers und Kaufmannes seine angeborene Neigung zu pflegen, war es ein Glück für die Ausbildung seines Talentes, daß er im Alter von 26 Jahren sich ganz dem Berufe eines Dichters ergeben konnte. Das Bewußtsein, seiner Neigung nicht ganz leben zu können, würde ein Druck für ihn gewesen sein, der ungünstig auf ihn eingewirkt hätte. Denn seit früher Jugend, nicht erst als er das Comptoir verließ, lebte und webte er in den Bildern, welche seine Phantasie erzeugte und welche ihm eine neue Welt geistigen Lebens und geistiger Anschauungen schufen.

Wir wissen ihn schon frühe herangereift, und Grabbe, der in Detmold des Knaben erste poetische Ergüsse las, sagte: „dieser Junge wird uns nochmal all’ übertreffen.“ – Wie sich ein lebenskräftiger, junger Baum alsbald erhebt und ausschießt und reiche Knospen treibt, sobald der erste Frühlingshauch um seine Aeste wehet und die Frühlingssonne ihre sanften, erquickenden Strahlen auf denselben wirft, ebenso entwickelte sich früh unser Dichter, sobald des Jünglings Bewußtsein geweckt und mit der

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Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/14&oldid=- (Version vom 17.8.2016)