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Baldachinen Aufstellung gefunden, so zwar, dass links und rechts je drei noch auf der Westwand angebracht sind. Das erste Standbild linker Hand, welches als der Fürst dieser Welt erklärt wird, besitzt eine unverkennbare Verwandtschaft mit der entsprechenden Darstellung am Münster zu Strassburg, während die dicht daneben befindliche merkwürdige Allegorie der Frau Welt in ähnlicher Auffassung sich noch an mehreren anderen deutschen Kirchenbauten nachweisen lässt[1]. Die vier Gestalten, welche diesen Vertretern des Heidenthums und der Sünde unmittelbar folgen, bereiten auf das Christenthum vor: der Engel, aus dessen Munde Zacharias, da er im Tempel opfert, die Botschaft empfängt, dass sein Weib den Vorläufer des Heilandes gebären werde, dann Zacharias selbst in priesterlicher Kleidung, das Rauchfass in der Rechten, Elisabeth und endlich Johannes der Täufer. Der Zusammenhang ist hier so klar, dass die bisherigen abweichenden Deutungen in Erstaunen setzen müssen. Das Opfer Abraham's dagegen befindet sich vielleicht gegenwärtig nicht an seiner anfänglichen Stelle. Eher lässt sich die Anreihung der Maria Magdalena mit dem Salbengefässe an die Gruppe der fünf klugen Jungfrauen erklären, ohne dass man desshalb mit Schnaase[2] anzunehmen brauchte, die äussere Aehnlichkeit sei dafür bestimmend gewesen. Den Schluss bildet an dieser Wand Christus selbst, in der einen Hand ein Buch, die andere erhoben, als ob er die Jungfrauen zu sich heranwinke. Die südliche Fläche zeigt die fünf thörichten Jungfrauen, sodann die Vertreterinnen der sieben freien Künste und zuletzt die Heiligen Margaretha und Katharina.

Eine überaus grosse Fülle von Gestalten und figurenreichen Gruppen belebt die Architectur des Portals. In den Kehlen der Leibungen stehen zu unterst auf Sockeln von der zierlichsten durchbrochenen Arbeit im Ganzen neun Figuren in der Grösse der eben aufgeführten, und zwar südlich der Engel Gabriel mit einem Spruchbande, die Jungfrau Maria, eine Taube als Sinnbild des heiligen Geistes auf der Rechten tragend, Maria bei Elisabeth (Heimsuchung) und am äussersten Ende die Vertreterin des Judenthums, ein gekröntes Weib mit verbundenen Augen und einem zerbrochenen Stabe, während man auf der Nordseite die drei Weisen aus dem Morgenlande erblickt und die Ecclesia, das schöne, königliche Gegenbild der Synagoge. Am Mittelpfeiler des Portals ist in herkömmlicher Weise die Muttergottes mit dem Kinde dargestellt (vgl. S. 233). In den eigentlichen Bogenkehlen sind bis zum Scheitel hin kleinere Figuren angebracht, welche alttestamentliche

  1. Vgl. K. Schäfer, Frau Welt, eine Allegorie des Mittelalters, »Schauinsland«, Bd. 17, S. 58 ff.
  2. Geschichte der bildenden Künste, Bd. 4, S. 292.
Empfohlene Zitierweise:
: Freiburg im Breisgau. Die Stadt und ihre Bauten. H. M. Poppen & Sohn, Freiburg im Breisgau 1898, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiburg_Bauten_304.jpg&oldid=- (Version vom 13.6.2022)