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befindlichen Inschriften und Maasse, welche der Rath durch Verordnungen festzusetzen pflegte: ein begrenzter eiserner Stab kennzeichnet die Elle, ein anderes Maass das Klafter. Eine Inschrift mit der Jahreszahl 1295 und den Umrissen eines Zubers beziehen sich auf den Kohlenverkauf. Sodann sehen wir die Normalgrössen für die verschiedenen Ziegel und Backsteine, ferner einen Sester, dessen Grundfläche und Höhe eingehauen ist. Weiter ist eine viereckige Grundfläche dargestellt, bei der die Würfelform durch ein beigesetztes Maass von gleicher Höhe angegeben ist, vielleicht für den Verkauf von Fettwaaren, die in kubischer Form zu Markte gebracht wurden (z. B. Talg, Seife etc.). Ausserdem sind einige trapezförmige Umrisse eingehauen, deren Deutung hier nicht versucht werden soll. Eine Minuskelinschrift setzt die Jahrmärkte fest.

Auch die vier sitzenden männlichen Gestalten in den unteren Baldachinen mit übergeschlagenen Beinen dürften nach der Ansicht Vieler auf Beziehungen zur Rechtspflege hinweisen. Allerdings ist ihre Deutung eine viel umstrittene: die einen halten sie für rechtsprechende Herzöge von Zähringen, andere, wie Adler, wollen in ihnen die Vertreter der Stadtgemeinde erblicken, indem sie dieselben als Vogt, Schultheiss und zwei Schöffen bezeichnen. Warum aber gerade zwei Schöffen? Wieder Andere wollen in diesen Figuren die vier Kardinaltugenden dargestellt sehen: Gerechtigkeit, Mässigkeit, Klugheit und Starkmuth. Welche Deutung der Wahrheit am nächsten kommt, wollen wir hier nicht erörtern.

Den hervorragendsten Schmuck der Vorhalle bildet der Figurencyklus der Wände, der Portalbögen und des Tympanon. Offenbar war diesem Bilderkreise ein von geistlicher Seite entworfener, einheitlicher Gedankengang zu Grunde gelegt, wenn auch die Figuren selbst erst nach und nach entstanden und aus verschiedenen Händen hervorgegangen sind. Die Meinung, dass Albertus Magnus auf dieses Programm von Einfluss gewesen sei, hat Manches für sich. Eine Deutung des aus mehr als 200 Figuren bestehenden Bildschmuckes wird unten bei der Besprechung der Kunstwerke versucht werden. Dass die auf einzelnen Spruchbändern befindlichen Namen, Johannes Heber, Thomas Kobell und Mathe Gall die Bildhauer der Sculpturen bezeichnen, ist gänzlich ausgeschlossen.

Die Statuen und die Architectur waren gleich den Wandflächen und Gewölbezwickeln von jeher bunt gefasst und bemalt. Sorgfältige Untersuchungen, sowie genaue Aufnahmen durch Fritz Geiges haben zu überraschenden Ergebnissen geführt und ganz neue Gesichtspunkte für die farbige Behandlung der Gewänder und der Architectur-

Empfohlene Zitierweise:
: Freiburg im Breisgau. Die Stadt und ihre Bauten. H. M. Poppen & Sohn, Freiburg im Breisgau 1898, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiburg_Bauten_260.jpg&oldid=- (Version vom 10.6.2022)