reißt er, um selbst seinen Feinden Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, den Hut höchst freundlich herab und ruft: „Sie verkannten mich, mein Theuerster! aber in kürzester Zeit werden Sie sehen, daß ich Ihr wahrer Freund bin!“
Er stürzt von dannen und in das geheime Conferenzzimmer der hohen, gelehrten Herren von der Autorität.
„Hat ihn schon!“ stammelt der gottselige Doktor und übergiebt, Thränen der ultramontanen Bürgerpflicht vergießend, den Brief.
„Ha, die Nordamerikanische Republik –?!" schreien die hochgelehrten Autoritäten. „Edler Mann!“
„Nur meine grundverfluchte Schuldigkeit!“ sagt der Doktor Zipperlein, die Hand auf’s Herz legend. „Und doch beweine ich das Schicksal der Armen; denn wenn sie auch Demokraten sind, in einer Beziehung sind sie doch auch Menschen! O Gott, wie mich das schmerzt! Unter sechzehn Jahre Festung kommen sie gewiß nicht hinweg!“
„Nicht unter zwanzig Jahre!“ spricht der gelehrteste Herr. „Jetzt müssen wir Autorität zeigen!“
„Ja, jetzt muß man Autorität zeigen!“ sagt der Doktor Zipperlein.
Ein fulminanter Verhaftsbefehl wird sogleich in’s Leben gesetzt. „Man wird ihnen die Morgenröthe zu kosten geben!“ donnert es die Männer der löblichen Polizei an. „Allez, packt an! Ihr habt ohnehin lange Fasttag gehabt.“ Von der Rührung der Gensdarmen und der Doktor Zipperlein’schen Individualität läßt sich keine Beschreibung geben.
Aus den Träumen kommender Guillottinirung, Strangulirung, Kopfabsägung, Spießung, Verbrennung, Oelsiedung und Todhungerung, nebst andern auf kannibalische Principien gebauten, noch weiter auszusinnenden Marterungen werden die Demokraten aus ihren respectiven Betten herausbayonettirt –
angesichts der Frankfurter Morgenröthe, unter Doktor Zipperlein’schem Beileid von dannen in die liebezitternden Gemäuer der Frohnveste und des neuen Thurmes colportirt. –
Hierauf wird sogleich scharfsinnigste Untersuchung angestellt, wobei man die Theorie des Umsturzes in das Praktische versetzt, um hinter die kolossalen Kniffe und Verborgenheiten der Menschheits- und staatsgefährlichen Demokraten zu gelangen.
Da der edle Menschenfreund und Demokratenbeweiner Doktor Zipperlein die Kunde des gelungenen Staatsstreiches hinterbringt, will man ihm sogleich eine Lorbeerkrone aufsetzen, er sagt aber, wenn er eine Krone wünschte, so wäre sie die Märtyrerkrone oder alle andere Art Kronen, worauf sich Absolutisten und Ultramontane einlassen.
Eduard Kauffer (Red.): Der Nürnberger Trichter. Friedrich Campe, Nürnberg 1848, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fr%C3%A4nkische_Bl%C3%A4tter_nebst_dem_Beiblatt_Der_N%C3%BCrnberger_Trichter.djvu/154&oldid=- (Version vom 31.7.2018)