Demokraten und Autoritäten (Der Nürnberger Trichter Nr. 15)

Textdaten
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Autor: Franz Trautmann
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Titel: Demokraten und Autoritäten
Untertitel: Schluß
aus: Der Nürnberger Trichter, Nr. 15, S. 57–59
Herausgeber: Eduard Kauffer
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Erscheinungsdatum: 1848
Verlag: Friedrich Campe
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: MDZ München, Commons
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Demokraten und Autoritäten.

Doktor Zipperlein stürzt fort und verbreitet die Nachricht der sich großartig manifestirenden Autorität. Sämmtliche Absolutisten und Männer des Haarbeutelsystems, desgleichen einige und mehr Jesuitenausdauerer finden sich am Polizeigebäude ein und entwickeln unter autoritätstrahlenden Gesichtern bedeutende neue Strebekraft der bisher entnervten Zöpfe. Zugleich wird zum Wohl altzeitlicher Bestrebungen beschlossen, durch den Reichsboten und die neue Münchner Zeitung anzukündigen, daß die Demokraten in engster Verbindung mit den Frankfurter Barbaren standen und daß ihre eigentliche Gestalt und Farbe die der blutdürstigsten Räuberchefs aus dem entronnenen Säculum und der allerblutrothesten Republikaner des noch gegenwärtig rinnenden Jahrhunderts sei,

welche Darstellung dem Reactionsangstschweiß vergießenden Publikum nicht vorenthalten werden darf.

Die Folgen der naturgetreuen Schilderung waren sehr natürlich. Eine große Anzahl Freunde der Demokraten ergriffen sogleich die moralische Flucht, und an der Frohnveste durften bei treffender Schildwachstehung eines der Campagna entpflückten Heldenjünglings Niemand dreimal auf und ab spazierengehen, noch weniger hinaufschauen, um nicht etwa in Versuchung zu gerathen, ein Stück von der Frohnveste abzubeißen oder die Steine mit Demokratenblicken wegzuschmelzen.

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Mittlerweile warfen sich die Männer von der Autorität über den papierlichen Fund der neuzeitlichen Fürstenfresser und Menschheitsvernichter her, wobei sich ein ansehnliches Erstaunen auf die respectiven Autoritätsangesichter verbreitete, was durch Verbreitung im Publikum nur die Auslegung finden konnte, es sei das über alle Begriffe Gehende gefunden worden.

Nicht minder manifestirte sich äußerste Befremdung bei den äußerst verwickelten und sinnreichen Fragen der Verhöre. Sogar die Mauern sollen verblaßt sein, weshalb sich grauenvolle Gerüchte mit neuer Gewalt durch das erwartungsvolle Publikum dahinwälzten. Alles schien verloren!

Die Götter aber geruhten dem bebenden Publikum zu Hülfe zu kommen. Der Kopf des Herrn Doktor Zipperlein beugte sich bei einsamen Spaziergängen ein wenig zu wehmuthsvoll. – Hoffnung blitzte durch die Herzen. „So triumphirt kein Absolutist und Ultramontaner,“ flüsterte es. Eine äußerst wachsende Humanität auf den allerverschiedensten Auroritätsgesichtern bestärkte die goldenen Träume von zerbrochenen Demokratenfesseln.

Herr Doktor Zipperlein begegnet seinem, dem Publikum bisher unbekannten würdigen Freunde und Meinungsgenossen und ruft ihm erstaunt zu: „Was seh’ ich? wir alle sind schwarz und Sie sind weiß?“ –

Indessen bestürmten Deputationen über Deputationen die Autoritätsüberfluß abgebenden Senatorennaturen. Es galt, einen aufrichtigen Beschluß über neuzeitliche Politiker zu fällen.

„Alle Teufel! ich glaube gar, wir müssen uns etwas von unserer Autorität vergeben,“ raunte ein und der andere hohe, gelehrte Herr – „auf in die Sitzung!“

Wahre Darstellung des Eindrucks, den das nicht abzuweisende Conclusum der Unschuldserklärung auf die verschiedenen Autoritätsnaturen hervorbrachte –

Deßgleichen wahre Darstellung des Befreiungs-Wonne-Parorismus, in welchen das brave freiheitsgesinnte Volk bei Ueberantwortung der Demokraten an die frische Luft und den offenen blauen Himmel ausbrach –

Deßgleichen der Verzweiflung des ultramontanitätsdurchdrungenen Doktor Zipperlein über mißlungene Bemühungen für den Staat und der Ausbrüche des so ziemlich gerechten Unmuthes über seine unverschämt dumme Denunciation.

Wogegen derselbe auf alle Weise seinen Verstand und seine Ehre, aber vergeblich, weiß zu brennen sucht, weßhalb ihm nichts bleibt, als das Bewußtsein, der Märtyrerkrone der moralischen Vernichtung würdig geworden zu sein.

„Alle Teufel!“ ruft die höchste, gelehrte Person, „hätten wir am Ende doch von unserer Autorität ein wenig gar zu viel geopfert? Müssen wir etwa wahrhaftig piano thun, um uns zu restauriren? Was sagt Ihr? Wie steht’s mit der Autorität?“

[59] „Präsentirt’s Gewehr! Schlecht steht’s mit der Autorität!“

„O zehntausend Donnerwetter!“ seufzen die hochgelehrten Herren, „wir sind blamirt!“

Darin hatten die gelehrten Herren nicht so ganz fehlgeschossen. Den Absolutisten, Ultramontanen und Haarbeutelleuten bleibt nichts übrig, als –

in den verschiedenen Winkeln der Stadtmauern über den Doktor Zipperlein alttestamentarliche Prophetenthränen zu weinen unter dem Klageruf: „O Zipperlein, Zipperlein! was hast du für Schaden angerichtet!“

Die Demokraten

stehen in ausgezeichneter Heiligenglorie vor den enttäuschten Blicken Deutschlands. Ruhm, Ehre und großes Hallelujah ist die Frucht ihrer Verfolgung.

Die hohen, gelehrten Herren versinken jedoch ohne früheren Heiligenschein in die bodenlose Tiefe süßen Bewußtseins. – Die dankbare liberale Welt aber setzt dem Veranlasser der Autoritätsverminderung ein Grabmal, darauf ist zu lesen:

Hier unter diesem Stein
Ruht Doktor Zipperlein,
Gott geb’ ihm die ew’ge Ruh’
Und der Büreaukratie dazu.

F. Trautmann.