11. | II. Band. |
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Ja, ich bin ein Pechvogel! Meine Stiefeln drücken mich; meine Rasirmesser schneiden nicht und an meinen Röcken platzen mir alle Näthe. Wohin ich gehe, finde ich Steine des Anstoßes, und wo zufällig keine Steine des Anstoßes liegen, stolpere ich gewöhnlich über meine eigenen Füße. Wenn ich, bloß um mir die Zeit zu vertreiben, aufs Papier kritzle, so sollte man meinen, die Buchstaben wären von dem ausgezeichnetsten Kalligraphen hingemalt; sobald es aber darauf ankommt, schön zu schreiben, verschwört sich Alles gegen mich. Das Papier fließt; die Tinte ist zu blaß; die Feder schreibt entweder zu dick oder zu dünn, und wenn der Brief fertig ist, sieht er so hieroglyphenartig aus, als ob ihn der egyptische König Psammenit geschrieben hätte.
Wenn ich allein bin, hab’ ich die herrlichsten und geistreichsten Einfälle. Ich bin pikant und witzig, so lange ich mich einzig und allein mit mir unterhalte; in Gesellschaft aber, oder einer liebenswürdigen Dame gegenüber, wo jeder gebildete Mensch doch unstreitig am geistreichsten und witzigsten sein sollte, fällt mir nicht allein nichts Vernünftiges ein, sondern es kommen mir noch lauter Albernheiten auf die Zunge. Alles Verbindliche, das ich sagen will, verwandelt sich in eine Unhöflichkeit; jedes Kompliment, das ich machen will, verwandelt sich in eine Anzüglichkeit; ja, ich, der ich doch Philologie studirt habe, mache bei solchen Gelegenheiten sogar grammatikalische Schnitzer. –
Bin ich schon jemals in einer Soirée gewesen, ohne ein Unglück anzurichten? Kann ich mich rühmen, daß ich jemals bei Tafel neben einer Dame gesessen, ohne ihr irgend eine grell colorirte Sauce auf’s Kleid zu schütten? Hab ich schon ein einziges Mal in meinem Leben getanzt, ohne meiner Tänzerin die Garnitur des Kleides abzutreten, oder ihr plump auf den Fuß zu treten, oder sie gar umzuwerfen?
Ich habe eigentlich gar kein Unglück; ich habe Pech und das ist noch schlimmer als Unglück. Es scheint, daß das Schicksal mich gar keines großen Unglücks würdig hält; darum sucht es mich mit lauter kleinen Neckereien heim. Das dunkle Geschick zuckt keine Dolche gegen mich; es sticht mich mit Stecknadeln. Es macht mich nicht zum tragischen Helden, sondern zum Ritter von der traurigen Gestalt. Ich bin mein Pech fast schon gewohnt. Ich weiß, daß ich statt der Sandbüchse regelmäßig das Tintenfaß über das Papier schütte; und geschieht das seltsamer Weise einmal nicht, so mache ich wenigstens eine falsche Adresse auf den Brief. Steht es nicht etwa im Buche des Schicksals geschrieben, daß jedesmal, wenn ich in zahlreicher Gesellschaft eine Anekdote erzähle, und Alles auf die Pointe gespannt ist,
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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/85&oldid=- (Version vom 8.9.2021)