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„Oft wird Einem aber verleid’t die Geduld, –
„Tragen die Menschen selber die Schuld,
„Denn bei dem ewigen Schelten und Raisonniren
„Muß man; weiß Gott, die Ruhe verlieren!“


          „„Reisezweck?““

„Mein harmloser Beruf ist mein Gewinnst;
„Ich vermache der Erde mein Gespinnst! –
„Sie hat gewirkt, nun gebührt ihr Ruh,
„Da deck’ ich sie mit meinem Gewebe zu,
„Und warte dann, hoffe und harre still,
„Bis der Frühling in’s Land wieder kommen will.
„Da braucht’s keinen Kampf, wie ihr etwa meint;
„Denn der Frühling und ich sind die besten Freund’!
„Ich kann nicht umhin, bei seinem Erscheinen
„In Freudenthränen mich auszuweinen,
„Möcht gern noch ein Stündlein mit ihm verplaudern,
„Daher mein Zögern und mein Zaudern.
„Doch der Urlaub ist um! Bald kriegt er Valet;
„Ich rolle die Decke vom Schlummerbett,
„Und sag’ ihm: da, lustiger junger Fant,
„Jetzt schalte du in dem schönen Land!
„Ich hab’ dir die Keimlein jung und zart
„Liebend gehegt und aufbewahrt, –
„Nun laß sie fröhlich zum Gedeihen bringen;
„Mir die Bewachung – dir das Gelingen!
„Dann geht es in Sturm und Wetter fort,
„Nur weil mir so schwer wird das Abschiedeswort –
„Das ist meiner Reise Zweck und Ziel,
„Das Keiner so recht erkennen will.
„Denn die Einen lesen mir den Text,
„Wünschen in’s Land mich, wo der Pfeffer wächst;
„Die Andern meinen, ich sei erschienen,
„Um ihnen beim Wuchergeschäft zu dienen,
„Beim Kornhandel und theuren Holz –
„Das schlimme Pack – der Guckuck hol’s!
„Der dritte meint, er hab’ es weg,
„Der Carneval sei mein Reisezweck,
„Und stürmt, und ras’t – es ist ein Graus, –
„Vergeudet die Jugend in Saus und Braus,
„Der dumme Teufel! Wie er sich irrt!
„Ihr wißt’s nun besser. – Jetzt protokollirt!“


          „„Legitimation?““

„Mein Freund, da ist euer Fragen verloren.
„Mit dem Paßwesen laßt mich ungeschoren!
„Da mach ich’s just dem Frühling nach,
„Komm’ und geh’ wann ich will und mag.
„Doch müßt ihr euch d’rob nicht kümmern und grämen; –
„Das Ministerium des Aeußern wird’s auf sich nehmen !“ –

So der Winter, und setzt dem Protokolle d’rauf
Mit Runenschrift sein Zeichen auf;
Und nun ist er da in Gottes Namen
Und sei uns Allen willkommen! Amen!




Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 077. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/81&oldid=- (Version vom 20.8.2021)