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Wischerad hinunter und brich dir den Hals, oder ersteche dich mit deinem Schwerte, oder erhenke dich selbst als dein eigener Henker.“

Als Düring dieses hörte, sprach er mit Seufzen: „O welch’ bösen Rath hat mir mein Herz gegeben. Mein Traum hat mir verheißen, daß ich viele Güter in Böhmen erwerben werde. O daß ich so schändlich sterben soll!“ Er wählte sich unter den drei gebotenen Geschenken das letzte.



Alsbald nahmen ihn die Nachrichter, führten ihn herum, und ließen ihm die Wahl unter den Bäumen, daß er sich an demjenigen, der ihm am besten gefalle, erhenke. Aber der Düring ging lange umher und sah die Bäume an, aber gefallen wollte ihm keiner. Endlich stieg er auf eine Erle, knüpfte lange daran, bis ihm eine Schlinge gelang und erhenkte sich. Diese Erle aber hieß stets die Dürings-Erle. Sie soll unterm Wischerad, an dem Orte gestanden sein, wo jetzt die St. Adalbert-Kirche steht.

Im folgenden Jahre starb auch Herzog Neklan. Sein Leib ward neben dem seines Vaters Krzesomysl begraben. Das Volk beweinte ihn sehr, zündete auf seinem Grabe ein großes Feuer an, ging um dasselbe herum und schrie: „Ihr unsterblichen Götter, gebet uns wieder einen Fürsten, der uns zum Siege führt und unser Land beschützt.“ Sie schnitten das Haar von den Bärten, warfen es in’s Feuer und klagten sehr um ihren entschlafenen Herrn.




Der Doktorwein.



Ein alter König fromm und gut, todtkrant darnieder lag –
Doktoren schrie’n ein ganzes Heer sich heiser Nacht und Tag.

Ein jeder rief: „ich bin’s allein!“ und gab ihm dies und das –
Doch aller Mittel ungeacht’ der Kranke nicht genaß!

Das hört ein greiser Rittersmann – des Königs Kampfgenoß –
Der lacht und ruft den Knappen zu: „schnell sattelt mir mein Roß!“

Drauf stieg er in den Keller tief – da lag ein Fäßchen Wein,
Das nimmt er auf und reitet froh damit zur Hofburg ein.

„Zum kranken König führet mich, ich bring ihm Arzenei;
Und, so der Herr mir folgen will, wird er vom Siechthum frei!“

Die Kunde breitet schnell sich aus vom Ritter mit dem Faß,
Wie daß den Herrn zu heilen er so kühnlich sich vermaß!

Auch zu dem König dringt die Mähr’; er läßt ihn kommen schnell:
„Was bringst du für ein Tränklein mir, du närrischer Gesell?“

„„Ein Tränklein, Herr, von Wunderkraft, weit köstlicher denn Gold!
Durch seine Tugend hochberühmt, Ihr schnell genesen sollt!““

Und einen Becher schenkt er voll, reicht ihn dem Kranken dar:
„Nehmt hin, trinkt aus, und freuet Euch des Weines alt und klar!“

Der König trank mit langem Zug den gold’nen Becher leer, –
Sein Auge glänzt, er ruft entzückt: „gib mir des Trankes mehr!“

Und freudig schenkt der Ritter ein, so oft der Becher leer,
Und immer rief der König neu: „gib mir des Trankes mehr!“

Und mit des Weines edlem Trank schlürft er Gesundheit ein,
Drum heißet noch auf diesen Tag den Wein man Doktorwein!


Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 060. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/64&oldid=- (Version vom 20.8.2021)