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friedlichen Bilder wieder verdrängt von dem Glanze der Waffen und dem Geräusche der Schlachten. Um diese Zeit saß Neklan zu Prag auf dem herzoglichen Stuhle. Die Aeltesten und Häupter des Volkes hatten ihn nach dem Tode seines Vaters, des Herzogs Krzesomysl, zu ihrem Fürsten und Herrn erwählt. Sie setzten ihn, mit einem fürstlichen Kleide angethan, und sein Haupt mit des Primislaus Mütze bedeckt, auf der Libussa Stuhl und riefen: „Neklan unser Fürst, Neklan unser Fürst und Herr.“ Drauf zogen sie ihre Mützen und Pechhüte von den Häuptern, verneigten sich tief und erzeugten ihm fürstliche Ehre. Die Aeltesten gelobten ihm in ihrem und der Jüngeren Namen Treue und Gehorsam, und begleiteten hierauf den neuen Herzog von dem Hofe des Wischerad bis in seine Gemächer. Am folgenden Morgen aber kamen die Lopoten, und führten eine überaus schöne Jungfrau zu ihm, welche Ponislawka hieß, und gaben sie ihm zum Weibe. Nun ward eine große Hochzeit gehalten und ein großes Gastmahl für das ganze Volk angerichtet. Am vierten Tage gingen die Festlichkeiten zu Ende; die Aeltesten empfahlen dem jungen Herzoge die Sorge für die Regierung, und darauf reisten sie heim, jeder zu seinem Hause oder in seine Landschaft.

Nach Verlauf eines Jahres gebar die Herzogin Ponislawka ihrem Gemahle auf dem Schlosse Wischerad ein Söhnlein. Der Herzog Neklan war deshalb über die Massen erfreut, und sandte sogleich an seine Freunde und die Vornehmsten des Landes Boten aus, um dieselben zu einem Feste auf das herzogliche Schloß zu laden. Als sie gekommen waren, ging ihnen Neklan entgegen und empfing sie mit Ehren als seine lieben Gäste. Von diesem Feste, und weil der Herzog diejenigen, die dazu gekommen waren, so wohl empfangen hatte, gab man dem Knaben den Namen Hostiwit; denn Host heißt im Böhmischen Gast und wjati heißt willkommen.

Herzog Neklan war ein stiller Mann, der die Ruhe und den Frieden über Alles liebte, und Niemanden etwas zu leide that; ja er war so gar friedsam, daß er lieber Beleidigungen duldete, als daß er sie rächte, welches ihm Manche für Schwäche und Feigheit deuteten. Unter diesen war Wlatislaw, der Herzog von Soz, ein junger Mann von 26 Jahren, der war einer ganz andern Sinnesart als Neklan; ungestüm und wild, und voller Herrschbegierde, und hatte einen unstillbaren Durst nach Krieg und Eroberungen. Er verachtete den Herzog Neklan wegen seiner Zagheit, und faßte mit Zustimmung seiner Edelleute, die ihm ihre Hilfe zusagten, den Entschluß, denselben mit Krieg zu überziehen und ihm das Herzogthum Prag mit Gewalt zu nehmen. Er ließ deshalb Schwerter machen, berief alle Schildmacher und bestellte bei ihnen 2000 wohlgerändete Schilde, Pechwämmser und andere Rüstung, Sturmhüte von Farrenhäuten mit eisernen und stählernen Reifen verwahrt, ohne Zahl, so daß Jedermann sich deshalb verwunderte. Kaum waren diese Rüstungen vollendet, als die Sozer dem Herzog Neklan ins Land fielen, mehrere Schlösser eroberten, die Besatzungen ermordeten, und die Gebäude bis auf den Grund verbrannten und zerstörten. Neklan erschrack über diese Nachricht, und war äußerst betrübt darüber; allein er schien nicht den Muth zu haben, mit gewaffneter Hand seine bedrohten Unterthanen zu beschützen, und das ihm angethane Unrecht zu vergelten. Da traten die Wladyken und Edelleute, deßgleichen alle Einwohner der Städte zusammen, und gingen miteinander zu ihrem Herrn, dem Herzoge Neklan auf den Wischerad, um ihm ihre Noth und die Gefahr, in welcher das ganze Land sich befand, vorzutragen. Sie baten ihn, er möge doch auch ein Kriegsvolk zusammenbringen, um dem Wlatislaw begegnen zu können, und fügten hinzu, daß wenn dies nicht geschähe, derselbe sicherlich das ganze Herzogthum und den Herzog selbst verderben werde. Als Neklan dieses hörte, erschrack er heftig, doch konnte er sich so verstellen, daß er ein heiteres Gesicht machte, und den versammelten Häuptern sagte, daß er dieses nicht thun werde, sondern daß er dem Wlatislaw Geschenke schicken wollte, um ihn zufrieden zu stellen. – Die Edelleute wurden unwillig, als sie dieses hörten, ließen es jedoch aus Gehorsam gegen ihren Herrn geschehen. Neklan aber berief einige Edle, durch welche er dem Wlatislaw Geschenke zuschickte, und zwar einen Goldkuchen, der so groß war, daß er dem Wlatislaw an Schwere gleich gewogen wurde; überdies zehn ausgesuchte schöne Pferde, fünfzig Harnische und anderes Rüstzeug, welches alles meisterlich gearbeitet war.

Als die Gesandten nach Wlatislaws Stadt gekommen waren, gingen sie zum Herzoge. Sie sahen ihn auf seinem Stuhle sitzen, mit so finsterer Miene, daß sie alle vor ihm erschracken; doch faßten sie sich ein Herz, und entboten ihm Herzog Neklans Gruß, legten die Geschenke zu seinen Füßen, und baten ihn, dieselben gütlich anzunehmen und mit ihrem Herzoge in Frieden zu leben. Wlatislaw schwieg eine gute Weile stille, endlich antwortete er und sprach: „Euer Herzog handelt sehr unbedächtig, indem er mir diese Geschenke schicket, denn dieß reizet mich nur mehr gegen ihn. Bringet daher diese Sachen eurem Herrn wieder, saget ihm, daß ich ihm dafür danke, und bemerket ihm, daß er Sorge tragen soll, daß ich, wenn ich kommen werde, keinen Mangel finde in seiner Schatzkammer. Ihr aber eilet von hinnen, damit ihr anstatt eurer Geschenke nicht eure Köpfe hier lassen müsset.“

Die Abgesandten entsetzten sich über diese Antwort, und ohne von dem Fürsten Abschied zu nehmen, eilten sie nach Prag und brachten ihrem Herrn die Botschaft. Als der Herzog Neklan dieses Alles vernommen hatte, entfärbte sich sein Angesicht vor Angst, und die Edlen und das Volk sagten: „wir haben einen feigen Herzog!“

Herzog Wlatislaw hatte sich zwar gegen Neklan gerüstet, um das Herzogthum von Prag zu erobern, allein für diesmal mußte er denselben in Frieden lassen, denn die Deutschen fielen vom Niedergange her mit einem großen Heere in sein Herzogthum. Die Felder wurden verheert, die Dörfer geplündert und ausgebrannt. Das Landvolk flüchtete sich in die Gebirge und

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 050. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/54&oldid=- (Version vom 20.8.2021)