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Nro. 30.
6. II. Band.
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Der deutsche Michel.


Und so trug es sich zu im Jahre des Herrn 1574, da führte Kaiser Maximilian II. das Regiment im deutschen Reiche. Im selbigen Jahre wurde dem ehrenwerthen Herrn Johannes Bartholomäus Obentraut, churpfälzischem Rathe und Amtmanne zu Stromburg, ein Söhnlein geboren, welchem er den Namen Hans Michael beilegen ließ in der heiligen Taufe, sintemal kein Heiliger im Kalender einen Namen führe, der so gut deutsch klänge, als gerade Hans Michael.

Der deutsche Michel hatte schon als Knäblein ein sonderbarlich Wohlgefallen an Helm und Schild, wie sie auf den Conterfeys seines Schutzpatrons, des heiligen Erzengels prangten, welche ihm zu Gesichte kamen. Nachgerade merkte der Vater, wie sein Sohn eine gewaltige Vorliebe hege für das Soldatenhandwerk. Diesem Hange gab er denn auch nach, und so wuchs Hans Michel Obentraut unter Kampfspiel und rühriger Leibesübung heran, und ward ein tüchtiger Kriegsmann.

Dazumal entspann sich der Streit um das reiche Erbe des Herzogs Johann Wilhelm, welcher Jülich, Cleve, Berg und die Mark besessen. Churbrandenburg, die sächsischen und pfälzischen Herzoge machten ihre Ansprüche geltend, und der Strauß, den die Parteikämpfer auszukämpfen hatten, ward um so erbitterter geführt, als Religionshaß beiderseits das Feuer schürte.

Im deutschen Lande war es von jeher so der Brauch, daß, wenn ihrer zween sich zankten, der Fremdling als Schiedsrichter oder Auskämpfer beigezogen wurde, der sodann, wie der Fuchs in der Fabel, auf des Streites Erbschaft für sich Beschlag legte. So wurde denn auch der Pfalzgraf von Neuburg katholisch, um der Spanier Beistand zu erhalten, und der Brandenburger trat zur reformirten Kirche über, damit er Holland für sich gewänne; fürder hauseten nun Spanier und Holländer gar übel im Reiche.

Michael Obentraut hielt sich auf Seite der Lutherischen, und als im Jahre 1610 die protestantische Union zu Stande kam, ward ihm ein Fähnlein von 500 Reitern anvertraut, darüber er sollte das Commando führen. Mit diesem rückte er nun in die Pfalz ein und fügte den Spanischen vielen Schaden zu.

Alsbald gewannen aber die Streitigkeiten ein ernsteres Aussehen. Der Lärm erwachte in allen Gauen, und der dreißigjährige Krieg brach herein über das unglückliche Vaterland. Obentraut blieb seinen Grundsätzen getreu, und nahm Partei für Friedrich V. von der Pfalz. Aber das Heer des Winterkönigs,

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 041. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/45&oldid=- (Version vom 20.8.2021)