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Der Posaunist wollte in seinem Eifer fortfahren, als die Thüre aufging und ein kugelrundes Männchen hastig in’s Zimmer sprang. Man kann sich nichts Possierlicheres denken, als dieses Männchen, das, ganz in Grau gekleidet, wie die aschgraue Möglichkeit aussah. Das Fagott, das der Kleine in Händen hielt, ragte hoch über sein rundes Haupt empor, von welchem das Haar in wilder Verwirrung über Schläfe und Nacken flatterte. Fast mit einem einzigen Satze war das Männchen zwischen mir und dem Posaunisten, der beim Anblick seines runden Erzfeindes beinahe vor Wuth erstickte.

„Hi hi hi!“ kicherte der Kleine, indem er sich zu mir wandte und dem Posaunisten einen hämischen Blick zuwarf; „man wollte mich gewiß verklagen. Dieser Mann, der den Ruhm hat, die ganze Menschheit aus seiner Nähe zu posaunen, hat mich gewiß schon wieder verläumdet. Man muß sich dies aber von einem so großen Künstler schon gefallen lassen. Sie müssen nämlich wissen“, fügte das Männchen höhnend hinzu: „daß dieser Künstler einer Familie angehört, die sich seit ewigen Zeiten auf der Posaune hervorgethan. Einer seiner würdigen Ahnen soll sogar unter den famosen Posaunisten gewesen sein, welche weiland die Mauern von Jericho niedergeschmettert.“

„Wir wollen sehen“, rief der Posaunist wüthend; „wir wollen sehen, wer von uns Beiden der Stümper ist und die Verachtung der Welt verdient!“ Und mit diesen Worten war er aus dem Zimmer.

„Nichts ist fürchterlicher als ein Musikaster“, sprach das graue Männchen; „nichts ist fürchterlicher als ein Mensch, der keinen Begriff von Nächstenliebe hat, und seine Mitmenschen durch ohr- und herzzerreißende Dissonanzen martert. Ich werde mir jetzt erlauben, Ihnen durch die That zu beweisen, daß der schreckliche Posaunist mich auf die giftigste Weise verläumdet hat. Ich werde Ihnen beweisen, daß ich mein Instrument behandeln kann.“

Ohne erst meine Antwort abzuwarten, setzte der Kleine das Fagott an den Mund, und blies so schrecklich, daß sich mein ganzes Innere krampfhaft umwälzte. Ich wollte eben dem Fagottisten sagen, daß ich den besten Begriff von seiner Virtuosität hätte, und daß es gar keines ferneren blasenden Beweises mehr bedürfe, als der Posaunist mit seinem ungeheuren Instrumente in’s Zimmer stürzte, sich schnell an meine rechte Seite stellte, und mit solch einer fürchterlichen Kraft zu blasen anfing, daß die Fenster klirrten. Man kann sich leicht meine schreckliche Lage denken. Zu meiner Rechten der schmetternde Posaunist, zu meiner Linken der dröhnende Fagottist. Ich stand zwischen Donner und Erdbeben. Ich bat, ich flehete, ich rang, ich kämpfte – umsonst! Kein Mitleid war bei dem Posaunisten, kein menschliches Erbarmen bei dem Fagottisten. Sie strengten sich Beide so sehr an, daß ihre Gesichter bereits dunkelblau waren; aber sie hörten nicht auf. Sie bliesen nicht; sie zerbliesen sich. Endlich, endlich erlöste mich die Müdigkeit ihrer Lungen von meiner entsetzlichen Pein. Sie pausirten, aber leider nur auf einige Momente.

„Ich fange gleich wieder an“, sagte der Posaunist, den Schweiß von der ungeheuren Stirne wischend. „Ich bin noch gar nicht müde.“

„Oho!“ rief der Fagottist, „ich könnte noch bis in die späte Nacht hineinblasen; denn ich habe, Gottlob! eine vortreffliche Lunge.“



Und mit diesen Worten setzte er wieder an, als wollte er den Posaunisten vernichten, der seinerseits nicht auf sich warten ließ, sondern wieder mit zehn Pferdekraft zu schmettern anfing. Ich war meiner Sinne nicht mehr mächtig. Ich wollte um Hilfe schreien; aber was vermochte meine menschliche Stimme gegen dieses infernalische Gedröhne?

„Nun, hab’ ich Ihnen nicht gezeigt, daß ich meines Instrumentes mächtig bin?“ fragte mich der Posaunist, das Marterinstrument absetzend. Ohne mir Zeit zur Antwort zu lassen, begann der Fagottist: „Ja, ja! Er bläst so herrlich, daß ihn der liebe Gott gewiß bei den Posaunen des jüngsten Weltgerichts anstellen wird.“

„Und Sie, elender Stümper“, erwiderte der Posaunist wüthend, „Sie wird der Teufel in der Hölle anstellen, wenn er um eine neue Qual für die allerverstocktesten Sünder verlegen[1] ist.“ Mit der Versicherung, daß Einer von ihnen die Nachbarschaft verlassen müsse, stürzten sie nach einer Stunde des heftigsten Wortzwistes aus meiner Wohnung, welche ich noch an demselben Tage räumte.

Soll ich dem geduldigen Leser noch meine anderen bittern Leiden aufzählen, die mir der Dilettantismus schon verursacht? Wahrlich! ein Dutzend Bände würde kaum für diese Passionsgeschichte hinreichen. Wenn auf zehn Meilen in der Runde irgend ein angehendes poetisches Gemüth existirt, kann ich sicher darauf rechnen, daß die gereimten Ergüsse mir vorgelesen werden. Wie viel fünfaktige Tragödien haben mir nicht schon die

  1. In der Vorlage: verlelegen.
Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 012. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/16&oldid=- (Version vom 12.12.2020)