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Nro. 42.
18. II. Band.
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Eine Nacht aus dem Leben eines Dichters.
(Schluß.)

Er hatte in seinen Historienbüchern nachgeschlagen, was seine Lieblingshelden in ähnlichen Fällen gethan, hatte jedoch nichts finden können; aber ein starker Geist weiß in jeder Lage des Lebens Rath. Hinter dem alten Kasten lehnte eine noch ältere Muskete bei einem Säbel, voll Rost und Staub und Schmutz. Dieses edle Paar wurde hervorgezogen, gereinigt, mit Feilspähnen und Sand gerieben und in Ordnung gebracht; ein funkelnagelneuer Feuerstein wurde ans den Hahn geschraubt, die Batterie sammt dem Schlosse eingeschmiert und eingerieben, und auf solche Weise die alte Maschine wieder in Gang gesetzt. Als die Reihe an den eingerosteten Säbel kam, zog Schneider und Schneiderin und Schneiderstöchterlein mit großmächtiger Anstrengung; aber es gelang nicht, den alten Gesellen aus

seiner Scheide zu bringen; vielleicht daß er sich schämte, von solcher Schneidershand geführt zu werden; doch darüber ließ sich der grimmige Schneider die Haare nicht noch mehr ergrauen; er ließ Pulver holen auf Abrechnung, da der Nachbar Krämer kürzlich für seinen jüngsten Buben die ersten Hosen bestellt hatte, und lud die Muskete; sei es nun Ungeschicktheit und Unerfahrenheit, oder die Hast, mit welcher der Mann mit den stahlgrauen Haaren zu Werke ging, er brachte erst Papier und dann Pulver in den Lauf, ohne zu bedenken, daß auf diese Weise unmöglich irgend Jemanden der Hintere voll Schrot angeschossen werden könnte. Wäre das Schneiderlein ein Waidmann worden, ich wollte wetten, die Hasen und Füchse ließen ihm wegen seiner neuen Ladmethode ein Privilegium ausstellen. Nachdem er Pulver auf die Pfanne geschüttet, den eingerosteten Säbel umgehängt und den Hahn ängstlich gespannt hatte , nahm er das Gewehr unter den Arm und schritt in der Stube auf und ab.

Mit Schrecken hatten Frau und Tochter dem Heldenwerke zugesehen, und konnten sich eines kalten Schauders nicht erwehren; so« grimmig ernsthaft hatten sie den Schneider noch nie gesehen.

„Um Gotteswillen!“ begann endlich die Frau, „du wirst doch die Studenten nicht erschießen wollen."

„Zu Staub schieße ich die Lumpen zusammen,“ schrie dieser mit entschlossener Miene, die große Aehnlichkeit mit einem Heldengesichte von der Art der Oranoutang hatte.

„Vater!“ weinte das zartnervige hysterische Töchterlein, „das Ding knallt ja, und ich kann dies nicht hören; ich erschrecke zu stark daran, ich bitte dich, schieße nicht.“

„Hin müssen sie sein! Alle zusammen!- Bei mir ist keine Gnad und Pardon zu hoffen. - Laßt mich in Ruh mit eurem Geheul, oder“ - - - mit diesen Worten setzte er den Hut tief in die Augen wie Rinaldo Rinaldini gethan, wenn er in den


Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/141&oldid=- (Version vom 26.10.2021)