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Theil des Publikums, seitdem auswärts so Unerhörtes passirt, wie z. B. daß man in Rußland den Juden das Schenken verbieten muß, während sie bei uns nicht einmal mehr leihen wollen. Herr Märchenmacher, melden Sie von der versandeten Sulinamündung, man hoffe auf baldige Abhülfe, weil ein Bundesgesetz im Werke sei, alle deutschen Schriftstellerinnen dürften nur Sulinastreusand brauchen. Zugleich mit neuester Post aus Constantinopel, der Sultan wolle sich taufen lassen und nach Berlin als Privatmann ziehen, weil es ihm unerträglich sei, daß er die Romane der Gräfin Hahn erst drei Wochen später als das gebildete Deutschland zu lesen kriege. Herr Trommelsucht, schreiben Sie aus dem stillen Ocean, die Königin Hovas hätte die fliegenden Blätter in ihrem ganzen Reiche verboten, weil ihrer bis dato in denselben noch nie erwähnt, und die Königin Pomare wolle Dupetit Thouars verklagen, weil er sie hat sitzen lassen.“

Auf einmal wurde es so still in der Stube, daß man, der Tebel hole mir, eine Maus hätte können pfeifen hören, und dann rasselten die Federn über das Papier, und so wie eine halbe Seite fertig war – fort damit in die Druckerei! Da sind sie aber auch Alle aufgefahren, als es plötzlich aus dem Sprachrohr herausschrie:

Es ist dreiviertel zwölf und noch fehlen zwei Spalten! Alle fielen nun noch einmal über die Zeitungen her und suchten und suchten, und je ängstlicher sie wurden, je zufriedener sah der Herr Direktor aus.

„Wenn mein Genie nicht wäre!“ sagte er endlich triumphirend, nahm eine alte Zeitung von 1763, und schnitt ein Stück „außerordentliche Naturerscheinungen“ heraus: „So lange die Welt steht, ist es wohl nie passirt und es wird auch wohl nie wieder geschehen, was wir gesehen haben. Auch hier zeigte sich in diesen Tagen der berühmte Schnellläufer Peter Jacobsen; der Ruhm seiner Thaten war so groß ihm vorausgegangen, daß wir meinten, die Wirklichkeit könne uns nicht befriedigen! Und doch, wie waren wir überrascht! höre es Welt und staune: „Peter Jacobsen, der berühmte Schnellläufer, ist ohne Füße geboren.“

Und der Hauptvortheil ist, daß das gleich für den nächsten Tag mit nützt, denn da heißt es in der Zeitung: der Mann ohne Beine, welcher hier gestern durchkam, heißt auch Peter Jacobsen, ist aber ein Vetter des berühmten Schnellläufers, welcher letztere ganz gesunde Beine hat.

Oder man nimmt aus dem alten Vademecum für lustige Leute neue Witze, z. B. Buchhändleranzeige:

Was erwartet uns in jenem Leben? . . 1 fl. 30 kr.

          Kinderschriften:

     Anna und Luise, vom Verfasser der „Kinder der Wittwe.“

Der Herr Direktor trocknete sich unter der Perücke den Schweiß ab, die Zeitung war fertig und die Welt um 24 Stunden mehr aufgeklärt. Jeder von den Herren Redacteurs besah in seinem Exemplar noch einmal liebevoll-triumphirend lächelnd das, was er geschrieben hatte, schob’s in die Tasche und Alle gingen ihrer Nahrung nach. Ich, der Schelmuffsky, dachte aber in meinem dummen Kopfe, der Tebel hole mir, jetzt weiß ich, wie’s zugeht, daß heut zu Tage alle Leute so klug sind und daß alle Tage so viel Merkwürdiges in der Welt passirt, kurz: Wie man eine Zeitung macht.





Die Romanze vom König Saul.

Die bärtigen Jüden kamen all’
Mit Paukenschlag und Cymbelschall,
Sie wollten Saul, den langen Mann,
Zu ihrem langen König ha’n.

5
So kamen sie vor Sauli Haus,

Die Mutter sah zur Thür heraus,
Und als sie kamen so daher,
Da zitterte die Mutter sehr.
     Der künft’ge Jüdenkönig

10
     Der forcht sich auch nicht wenig.


Beim Hause war ein Keller alt,
Der Mäus’ und Ratten Aufenthalt,
Auch standen manche Fässer Wein
In langer Reih’ gepflanzet drein.

15
Darin sich Saul verkrochen hat,

Zu pflegen drinnen guten Rath.
Doch als ihm ward die Zeit zu lang,
Zapft er die Fässer an und trank;
     Und trank da gar nicht wenig,

20
     Der künft’ge Jüdenkönig.


Die Jüden kamen an die Thür;
Wo ist der Saul ? den wollen wir.
Wo ist der Saul, der lange Mann?
Den wollen mir zum König ha’n.

25
Die Mutter thät die Hausthür auf,

Da strömt herein der ganze Hauf;
Sie kamen auch an’s Kellerthor
Und riefen dort in hellem Chor:
     „Wir wollen Saul zum König!“

30
     Deß freut er sich nicht wenig.


Herr Saul sprang nun hinaus zur Thür:
„Wollt ihr den Saul, so bin ich hier,
So gebt mir nur die güldne Kron’,
Und setzt mich auf den güldnen Thron!“

35
Dermalen Saul, der trunkne Mann,

Sein Judenregiment begann,
Und schlug verwegen ritterlich
Mit nuchternen Philistern sich.
     Auch trank er wohl als König

40
     Hinfurder gar nicht wenig



Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/111&oldid=- (Version vom 14.9.2022)