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Zur selbigen Zeit ging es im deutschen Reichshaushalte wohl eben so d’runter und d’rüber, wie in dem kleinen Haushalte unseres Perlenfischers. Der unglückliche Churfürst Maximilian Emanuel von Bayern irrte umher – ein Flüchtling – und Bayern schmachtete unter dem Drucke österreichischer Truppen.

Obwohl dem Churfürsten Johann Wilhelm von der rheinischen Pfalz nebst der Reichsverweser-Würde auch das Fürstenthum der obern Pfalz und die Grafschaft Cham vom Kaiser war übertragen worden: so lasteten doch die Greuelthaten österreichischer Freibeuter, die sich von dem Regimente des Churfürsten nicht irre machen ließen, auf dem Ländlein, darinnen sie plünderten und marodirten nach ihrem Herzgelüste.

War nun der lange Matheis mit Leib und Seele dem unglücklichen Emanuel zugethan, so war andererseits seine Ehehälfte, welche die Pracht und den Jubel des Landtages auf dem Amberger Rathhause mit angesehen hatte, und vom kaiserlichen Statthalter eigens mit einem freundlichen Gruße war beglückt worden, gut kaiserlich gesinnt, und sollte es auch nur seyn, ihrem Manne Widerpart zu halten. Das mehrte den gegenseitigen Haß, und der Unfriede wucherte fort unter dem Dache, wie ein giftiges Schlinggewächse.

Da geschah es, daß der lange Matheis, als er eines Tages noch spät am Abende die Waldhut versah, ein leises Stöhnen die Fahrstraße entlang vernahm. Als er sich an Ort und Stelle begab, fand er einen jungen Mann, mit Blut bedeckt, das aus einer offenen Kopfwunde hervorquoll, der schier halbtodt im Graben lag, und sich nicht fortzuhelfen vermochte. Mitleidig, wie er war, lud ihn der Perlenfischer auf seinen Rücken, und schleppte ihn, so gut es ging, in seine Hütte. Trotz des Gescheltes der Frau Barbara über die unzeitige Barmherzigkeit ihres Mannes, und die Last, die ihrem Hauswesen durch die Pflege eines zum Tode Verwundeten aufgebürdet wurde, nahm sich doch ihr frommes Töchterlein des Unglücklichen sorgsam an, wusch ihm die Wunden, und verband sie mit weißen Linnen. Ihr eigenes Bettlein trat sie ihm ab, und pflegte seiner gegen zwölf Tage. Der Fremde aber, da er seiner Sinne wieder mächtig geworden, erzählte dem Perlenfischer, daß er ein Kaufmann wäre aus Regensburg, daß ihn die kaiserlichen Strauchritter, da er mit seinen Waaren gen Cham auf den Markt fahren wollte, überfallen und ausgeplündert, Wagen und Rößlein davongeführt, und ihn in schwerer Noth im Graben liegen gelassen hätten. Er wolle es ihm, dem Perlenfischer, gedenken, der an einem Fremdlinge eines der sieben barmherzigen Werke verübt, wenn er selber halbwegs von seinen Wunden geheilt und wieder heimgekehrt wäre. – Manch Thränlein rann über Margarethens rothe Wangen, als der Kaufherr die schlimme Geschichte erzählte, und ihr Antheil an dem Verwundeten wuchs noch mehr, wenn sie ihm in das blasse, freundliche Angesicht sah, und ein dankender Blick seiner Augen auf ihr ruhte. Das war wohl gut; aber die Hausfrau und ihre übrigen Kinder betrachteten den landfremden Mann, der sich gegen ihren Willen unter ihrem Dache eingenistet, mit scheelen Augen, und Margarethe hatte um der sorgsamen Pflege willen, womit sie ihren kranken Gast auswartete, manches Scheltwort hinzunehmen und über manche unzüchtige Aeusserung zu erröthen. Es konnte nicht fehlen, daß der Kaufherr alsbald die Sinnesart seiner Wirthin errieth, und als er sich so weit fühlte, um den Heimweg wieder antreten zu können, ließ er ein Brieflein besorgen an den Abt zu Walderbach, den er wohl kannte. Ueber kurz, so ward ihm auch ein Fuhrwerk geschickt vom Kloster, das ihn wieder heimbringen sollte gen Regensburg. Dankbar drückte er beim Abschiede dem Perlenfischer die Hand, und versprach, seiner eingedenk zu seyn, und ihm den Liebesdienst zu vergelten so viel als möglich wäre.



Als er aber Margarethen Valet gab, zog er ein goldenes Reiflein vom Finger, das Einzige von Werth, was ihm die Strauchritter gelassen hatten, und reichte es ihr mit der Bitte, daß sie seiner gedenken möchte, wie auch er all seiner Lebtage nimmer der lieblichen Pflegerin vergessen wolle. Frau Barbara wieß trotzig jeden Dank zurück. Als nun das Wäglein die Waldstraße entlang fuhr, und bald im Gehölze aus den

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/95&oldid=- (Version vom 20.11.2016)