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Die Steckenreiter.


Der Alterthümler.


Er ist von altem aber heruntergekommenen Adel. Schon in frühester Jugend erging er sich gerne in Erinnerungen längst verklungener Tage. Eine verrostete Pickelhaube und ein zerbrochener Morgenstern, welche er auf dem Dachboden seines baufälligen Ahnenschlosses fand, gaben den Impuls zu seiner Neigung für Alterthümer. Nachgerade trat er in den Staatsdienst, und wurde zum Kanzleireferenten befördert, eine Stelle, welche ihm so viel einträgt, daß er nun mit Muße seiner Leidenschaft nachhängen kann.



Am liebsten träumt er sich nun unter alten Harnischen, Schlachtschwertern und Hellebarden in die Zeiten des Faustrechts zurück. Er ist ein großer Anhänger des Feudalsystems und die vorlauten liberalen Ideen der Gegenwart sind ihm ein Gräuel. Seine Sammlung von Humpen, Trinkhörnern und Pokalen bleibt unbenützt. Zum täglichen Gebrauche begnügt er sich mit dem Arzneigläslein; denn er leidet am Podagra. Es ist die Liebe zum Extreme, die sich in diesem schwindsüchtigen Repräsentanten der Gegenwart und seiner Anhänglichkeit an eine kraftstrotzende Vergangenheit ausspricht. Er geberdet sich in dem Streitsattel, wie das Soldatenkind im Reitstiefel des Vaters. Seine Linke ist mit einem Stahlhandschuh seiner Ahnen überzogen, darinnen die ganze Duodezausgabe des freiherrlichen Nachkommen Platz hätte; das Ringlein, das er betrachtet, prangte wohl einst als Minnesold an dem Finger eines Turnierfähigen. Nun soll es in seiner Sammlung prangen, wie der Mammuthknochen in einem Naturalienkabinete.



Stiefel, Schuh und Pantoffel.


Ein stolzer Schuh gerieth mit einem Stiefel in Streit und behauptete, daß sein Amt weit edler, als das des Stiefels wäre, indem man sich seiner nur bei besondern Gelegenheiten bediene. Kein Ball, keine Cour, keine Aufwartung (schrie er mit blähender Selbstsucht) findet statt ohne mich, während man sich Deiner, Du armer Teufel, nur bei schmutzigem Wetter als gemeine Fußbekleidung bedient. Der gereizte Stiefel warf erzürnt der Gründe viele entgegen, führte als Beweis seines Gegenrechtes die silbernen Spornen, welche in hundert Formen ihm zur Zierde verfertigt werden, an, jedoch keine der Streit führenden Mächte wollte nachgeben, als der Zufall einen schleichenden Pantoffel vorüber führte. Dieser hörte kaum, wovon die Rede war, als er ausrief: O ihr Thoren, was will Eure Macht gegen die meinige! Philosophen, Künstler, Helden und Staatsmänner seufzen unter meiner Herrschaft. Ein Laune von mir läßt den Schuh nicht auf den Ball und den Stiefel nicht aus dem Hause.

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/83&oldid=- (Version vom 1.8.2018)