dergestalt erschreckten, daß sie thränend in den Schutz der Matronen floh.
Bei alledem schien sich der Stadtschreiber um Klaren gar nicht mehr zu bekümmern, und hatte dem Feldscheer gänzlich seine Stelle überlassen.
Wie nun das empörte Mägdlein fürder mit dem Feldscheer zu tanzen beharrlich verweigerte, sagte dieser trotzig: warte meine holde Dirne, so ich Dir nicht als Tänzer gefalle, werde ich Dir wohl als Sänger anstehen, worauf er sich entfernte, nach einer kleinen Weile aber ganz verändert wiederkam. Denn ausgezogen hatte er den Scharlachrock und angethan eine großblumige Damastweste mit langen Schößen, die demselben weit über den künstlich ausgestopften Speckwanst herunterging, und über welcher ein kurzes braunes Röcklein schlotterte. Das Haupt aber deckte eine schiefstehende Perücke, auf welcher ein winziges dreieckiges Hütlein wackelte. So angethan trat derselbe in die gedrängte Menge, die schon bei diesem Anblicke in wüstes Lachen ausbrach. Aber nunmehr gesellte sich auch Hinzelmann zu ihm und ein stämmiger Pappenheimer, die fingen an in wunderlichen Tönen zu fingen, der Hinzelmann mit seiner gellenden Stimme, der Pappenheimer aber im groben Basse.
Ei, ei! – strafte Consul Dirigens – Herr Stadtschreiber, wie mag doch eine Magistratsperson so unziemlich quinkuliren! aber sein Strafwort verging in der tobenden Welle des Lachens, als nun der Feldscheer zu sothanem Gesange Possen riß und Kapriolen schnitt, welche zeither in Deutschland noch nie erhört waren. Denn es wußte besagter Feldscheer seine Geberden zu verstellen wie einen Sack, und sein Gesicht in Falten zu legen wie einen Priesterrock, dabei auch Nase und Mund dergestalt in sein Kinn zu verschlucken, daß von sothanen Gliedmassen gar nichts mehr zu sehen, letztlich aber seine Ohren zu verlängern und solche wackelnd zu spitzen wie Eselohren.
Männiglich war von dem lustigen Schwanke höchlich ergötzt, nur Klaren aber das lose Spektakulum wie ein unheimlicher Gespensterspuck durch die Seele gefahren, so daß sie nicht mehr länger weilen konnte, sondern entsetzt und fieberkrank in ihr Kämmerlein gebracht werden mußte. Und als nun vollends den Tag darauf, wie das kaiserliche Fähnlein bereits wieder abmarschirt war, der Vater den Rothrock in's Haus brachte und erklärte, daß der Feldscheer in Katzweiler sich zur Ruhe setzen und die Badstube des Vaters für ein Erkleckliches zu kaufen beschlossen, auch ein gar reicher Kauz sei; da vollends ahnete der Armen nichts Gutes, und es schien ihr, als sei dieses ein Zeichen zur Trennung von dem Geliebten ihres Herzens.
Auch Barbara Murchel, die Base, schien dem Rothrocke gewogen vom ersten Augenblicke an, massen der Schlaue sie in die Wange gekniffen, ihre Knochenhand zärtlich gedrückt, und darin etliche Goldstücklein zurückgelassen und womit er denn klüglich das Arkanum getroffen, sich den Drachen zu gewinnen, der sein goldenes Vlies hütete.
Schon den Tag darauf wurde der Feldscheer Bürger in Katzweiler, vermochte aber als ein Erzspaßvogel den Bürgereid nicht nachzusagen, und hob zum Schwure die Finger verkehrt wie zwei Hörnlein empor. Aber er handirte mit Scheersack und Messer, daß es eine Lust war, warf mit Goldgulden um sich, und ließ wacker einschenken im Keller. Als er nun aber gar um die schöne Klara förmlich warb bei Schwepperlein, und zur Morgengabe tausend Dublonen zu zahlen versprach, da entstand Jubel in des Baders Hause, und selbst Barbaras Kämmerlein blieb dem klagenden Kater verschlossen. Aber Klara verging in liebendem Schmerze. Ach Konrad! – sprach sie zu ihm in der heimlichen Abendstunde: nun ist Alles vorbei, der abscheuliche Hinkefuß führt mich zum hochzeitlichen Altar und wer mag mich retten? O! – entgegnete Konrad – sei getrost, holdes Mägdlein. Bin ich auch arm und habe nicht Geld noch Gut, so habe ich doch einen Freund im Himmel, und einen Vater in seinem Diener, dem ehrwürdigen Pater Florian. Den will ich um Rath und Hilfe flehen, und er wird uns helfen, wenn Hilfe möglich ist.
Am frühen Morgen ging Konrad in die Zelle des frommen Priesters und offenbarte selbigem sein Leid und die ganze Sache. Aufmerksam hörte der Pater die Relation des preßhaften Liebenden, dann aber segnete er sich mit dem heiligen Kreuze und sprach: O mein Sohn, bete und wache, daß du nicht in Versuchung fallest; denn es gehet der Teufel herum wie ein brüllender Löwe, und sucht welchen er verschlinge, und so mich nicht Alles trügt, so mag der Feldscheer Niemand anders seyn, als eben – der Teufel. – Listig wohl
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/78&oldid=- (Version vom 31.7.2018)