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Giovanniplatz wohnt, und ausgelegte Arbeit macht?“ Wie! ob ich ihn kenne! sagte Giovanni, ja wohl, er ist mein guter Freund, und ich werde bald wegen einer kleinen Arbeit, die er mir macht, zu ihm gehen. Der Dicke fuhr fort: Ach! thut mir doch den Gefallen, da ihr einmal zu ihm geht, und sagt ihm, es sitze einer seiner Freunde im Handelsgerichte, er möge doch ihm zu Lieb' im Vorbeigehen einmal mit hier zusprechen. Giovanni, der ihm fortwährend starr in's Gesicht sah, und nur mit Mühe das Lachen verhielt, sagte: Recht gerne will ich das thun; worauf er sich entfernte und an seine Geschäfte ging.



Der Dicke blieb allein am Gefängnißgitter stehen und sagte bei sich selbst: Nun kann ich sicher seyn, daß ich nicht mehr der Dicke, sondern Matteo geworden bin. Verwünschtes Schicksal! Wollte ich den Leuten etwas von meinem Unfalle sagen, sie glaubten gar noch, ich sei närrisch geworden, und die Kinder liefen mir auf der Gasse nach. Und sage ich nichts, so fallen noch hundert Mißverständnisse wie gestern Abend vor, da man mich gefangen setzte. Ich mag thun was ich will, es geht mir schlecht. Wir wollen aber doch sehen, ob der Dicke nicht kommt. Und wenn er kommt, so erzähle ich es ihm, und werde ja hören, was er sagt. Er wartete, in dem Wahne, der Dicke solle kommen, eine lange Zeit, und machte endlich, da er nicht kam, einem Andern am Fenster Platz. Dann setzte er sich, und sah bald den Fußboden, bald die Wand, mit gefalteten Händen an. Es war dieser Tage auch ein Rechtsgelehrter in der Haft, ein sehr braver Mann, dessen Namen wir aus Achtung vor ihm verschweigen wollen, der zwar den Dicken nicht kannte, doch da er ihn so schwermüthig sitzen sah, und sich einbildete, er sei um seine Schuld betrübt, ihn ein wenig zu trösten gedachte, indem er sprach: Nun Matteo, du bist ja so trübselig, als wenn es dir an Leib und Leben ginge, und deine Schuld ist doch, wie du selber meintest, klein. Man muß sich nicht im Unglück niederdrücken lassen. Warum schickest du nicht nach einem deiner Freunde oder Verwandten aus, und suchst deinen Gläubiger zu bezahlen, oder dich mit ihm zu verständigen, damit du auf freie Füße kommest und den Muth nicht ganz und gar verlierst. – Wie sich der Dicke so wohlmeinend und freundlich trösten hörte, entschloß er sich, dem Fremden seine Noth zu klagen. Er zog ihn in einen Winkel des Gefängnisses, und hub an: Obgleich ihr mich nicht kennt, mein lieber Herr, kenne ich euch doch wohl, und weiß, daß ihr ein braver Mann seid. Ich will euch also den Grund gestehen, weßwegen ich so schwermüthig bin. Ihr sollt nicht glauben, daß eine kleine Schuld mir solches Leid erregt. Es ist etwas Anderes. Und er erzählte ihm seine Lage, und jeden Umstand, der sich bisher mit ihm zugetragen hatte, vom Anfange bis zu Ende weinerlich, und bat sich zweierlei von ihm aus: daß er erstens mit Niemand von seinem Unfall spreche, und ihm dann irgend einen guten Rath, oder Hilfe in seiner Noth ertheile. Er setzte hinzu: Ich weiß, daß ihr erfahren in den Wissenschaften seid, und belesen in vielen Autoren und alten Historien, in denen mannigfache Ereignisse beschrieben sind. Fandet ihr niemal eine Geschichte darin, die der meinigen gleicht? Als der wackre Mann diese Rede vernommen und still bei sich erwogen hatte, meinte er, es könne mit dem Guten nur zweierlei Bewandtniß haben, entweder sei er verstandeskrank, oder man treibe seinen Spott mit ihm. Er entgegnete also schnell: er habe vielerlei der Art gelesen, wie nämlich aus einem Menschen ein anderer ward, und dieß möge denn gerade kein so neuer Fall seyn. Der Dicke antwortete: Sagt aber, wenn ich der Matteo geworden bin, wo ist dann der alte Matteo hin? Der Rechtsgelehrte: Nothwendigerweise muß der Dicke aus ihm geworden seyn. Worauf abermals der Dicke sagte: Recht sehr wohl, könnte ich ihn nur einmal, meine Neugier zu stillen, sehen!

Unter solchen Betrachtungen verging der Tag. Um die Vesperzeit kamen zwei Brüder Matteo's in das Gerichtshaus, und fragten den anwesenden Notar, ob nicht ein Bruder von ihnen, Namens Matteo, hier gefangen sitze, und wie groß die Summe sei, die er schulde; sie wollten ihn aus seiner Haft befreien. Der Notar, der als genauer Freund des Tomaso Pecori um den ganzen Handel wußte, bejahte die erste Frage, blätterte aufmerksam in seinem Buche herum, und sagte, er ist der, und der Summe halber auf des und des Antrag hier. Gut, erwiederten sie, wir wollen ihm ein paar Worte sagen, alsdann schaffen wir das Geld herbei. Und auf das Gefängniß zugehend, sagten sie zu Einem, der am Fenster stand: Sage doch dem Matteo drinnen, es wären seine Brüder hier, um ihn zu befreien, er solle einen Augenblick herantreten. Der Gefangene richtete seinen Auftrag aus, und der Dicke kam an das Gitter und grüßte sie, worauf der ältere der beiden Brüder ihn solchergestalt anredete: Matteo, du weißt, wir haben dich schon unzählige Mal ermahnt, von dem schlechten Lebenswandel abzulassen, den du seither geführt hast, du weißt, wir haben dir immer gesagt: Du geräthst tagtäglich in Schulden, heute bei dem, morgen bei dem, und bezahlst keinen

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/56&oldid=- (Version vom 31.7.2018)