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Adelin – – so rang sich ein Angstschrei aus meiner Seele! Das Weib verschwand im Felsen, und meine Mary lag mir leblos im Arme. Ich trug sie auf meinen Händen in die Hütte. Ihr Leben kehrte zurück; aber ein nagender Schmerz bewegte sich in ihrer Seele. Der Zauberspruch hatte ihr einen unheilbaren Stich in's Herz gethan. All' meine starke Liebe, womit ich sie umschloß, wie der Sonnenschein die Lenzblüthen, brachte ihr die Heiterkeit nicht wieder. Sie dämmerte fort, wochenlang – mondenlang; und wenn ich sie gebrochenen Muthes an's Herz drückte, dann weinte sie still vor sich hin, und mir blieb keine Hoffnung, den geheimen, fortwuchernden Gram ihr je aus der Seele reißen zu können. Selbst die Ahnung der seligsten Menschenfreude, die bald zur Gewißheit ward, richtete sie nicht auf. –

Nach neun trüben, schmerzhaften Monaten aber lag sie auf dem Brette, wie die Elfin gesungen; und ihr zugefallenes Auge konnte die Frucht ihrer unglückseligen Liebe nicht mehr schauen. – Da brach mir der letzte Rest meiner Stärke, und ich fiel über mein todtes Weib hin, laut weinend und jammernd, und hatte nur einen Wunsch, gestorben zu sein mit ihr! – –

Du, mein Nils – du warst noch die einzige Stütze, die mich hielt. In deinen Zügen dämmerte mir das Bild meiner abgeschiedenen Mary auf, und als ich sie eingegraben hatte an der Stelle, wo sie jetzt noch schlummert, da klammerte ich mich an dich, als das letzte Glied der Kette, die mich an die Welt fesselte. Ich schloß mich ab von den Menschen, deren Freude mir weh that. Du warst der einzige Punkt, um den sich meine ausschließende Liebe bewegte. Ich freute mich über dich, wie über einen aufgehenden Stern in der Winternacht. So bin ich grau geworden. Willst du mir am Abende meiner Tage den Anker ausziehen aus der Scholle, an die er mich noch hält? Mein Nils, mein einziges Kind! Soll dich ein Schmerz verzehren, dafür dir dein Vater keinen Trost geben kann, weil du dein Herz verschließest, wenn er anklopft und dich fragt: Was fehlt dir?“ – –


IV.


          Herrgott, sei gnädig mir armen Mann,
          Meinem einzigen Kind hab ich Leid angethan!
               „Herzog Freudenberg und Fräulein Adelin.“


Sorgfältiger denn sonst beobachtete der alte Fischer des andern Tages seinen Sohn. Auch Nils that, was er vermochte, um heiter zu scheinen, und hatte sich fest vorgenommen, am Abende daheim zu bleiben. Als jedoch die Dämmerung kam, und die Nebel sich senkten, konnte er seiner Sehnsucht nicht mehr Meister werden. Im Augenblicke, da er sich für unbelauscht hielt, entschlüpfte er den spähenden Blicken des Vaters, und ging die gewohnten Steige, die ihn zu seiner Liebsten führten.

Aber der Alte hatte seiner wohl in Acht. Die Richtung verfolgend, die sein Junge von der Hütte weg genommen hatte, gewahrte er bald seine Fährte im thauigen Grase. Ein dichter, grauer Nebel hatte sich von den Bergen niedergezogen, und gönnte kaum die Aussicht auf ein Paar Schritte vorwärts. Doch führte die einmal aufgefundene Spur den Fischer auf den rechten Weg fort. So mochte er wohl über eine Stunde gegangen seyn, als er das Rauschen der Lulea-Elf zu seiner Rechten vernahm. Es war Abend geworden, und

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/40&oldid=- (Version vom 1.8.2018)