schlanken Mary, nach, die mir's nicht gestatteten, als ich mich nach dem ersten Halnigdansen heimwärts auf den Weg machen wollte. Ich blieb einige Tage, und wenn es mich auch nicht selten sehnsüchtig gemahnte an schön' Adelin und an die Mondnächte, da meine Hände in ihrem Schooße lagen, und ihre Locken mir um's Haupt flatterten, so schauete ich in Mary's dunkleres Auge. Das verscheuchte die trüben Bilder meiner Seele. Nach der Hand lauschte mir es Mary wohl ab, daß mich etwas ängstige, und da sie so theilnehmend nach meinem Kummer fragte, konnte ich nicht umhin, und erzählte ihr eines Abends vom Ellisermädchen und von meiner Liebe. Mary erschrack und eine Thräne stand ihr im Auge. Doch faßte sie sich bald, und ich will nie vergessen, wie freundlich mahnend sie mir an's Herz redete, wie sie mir ihr Amulet aufdrang, das sie bisher um den Hals hing, und wie sie des andern Tages so herzinnig von mir Abschied nahm, als ich wieder heimzuwandern beschloß.
Zu Hause angelangt, überwand ich die Sehnsucht, die mich hinaustrieb zu schön' Adelin, hielt mich wacker an Bibel und Gebetbuch, wenn ich des Abends Spuk verspürte, oder gedachte an Mary's rothe Wangen; unter Tages aber ließ ich mir keine Arbeit verdrießen, und schaffte nach bester Kraft, um das Ziel zu erreichen, das ich mir vorgesetzt hatte. Oefter als gewöhnlich, ja wider Willen, trieb mich's nach Quickjock. Zwar schlug ich's der Muhme rundweg ab, als sie mich im Kramladen zurückhalten wollte, da mein frisches Gemüth hätte versauern müssen. Doch ließ ich ihr meine Absicht merken auf ihr Töchterlein, und sie ward darob nicht ungehalten. Das war mir vorderhand genug, und ich ging mit neuer Lust und Kraft an's Tagewerk. Auch segnete der Himmel meine Arbeit. Der Fischfang fiel reich aus; zudem löste ich aus den Körben, die ich flocht und selbst zu Markte trug, ein gut Stück Geld. – Sofort ging ich daran, meine Wohnstelle von dem Platze zu entfernen, wo Gespensterfurcht und böse Erinnerungen mich ängsteten. Ich wendete mein erspartes Geld daran, und baute meine Hütte an die Stelle, wo sie jetzt noch steht. Nach Jahr und Tag, da Alles wohnlich und geräumig eingerichtet war, eine Kuh im Stalle lag, und der Kohl blühete im Gärtlein vor dem Hause, ging ich frisch an's Werk, freiete um die schlanke Mary und die Muhme sagte sie mir zu. Mary hatte mir selber schon längst zugesagt. Sie ward mein Bräutlein, und meine seligen Tage begannen. Nichts trübte mein Glück; denn die Erinnerung an schön' Adelin war längst verwischt aus meiner Seele, und die Stelle, wo ich meinen neuen Herd aufgeschlagen, blieb frei vom Geisterspuke.
Vier Wochen nach Pfingsten sollte Hochzeit sein. Ich hatte mich stattlich herausgeputzt, und wanderte seliger Hoffnungen voll nach Quickjock, die kleine Wiegengabe unterm Arme, die ich meinem Bräutlein bringen wollte. Alles war bereit, da ich ankam. Bald war Mary mein angetrautes Weib, und ein kurzes, fröhliches Hochzeitmahl folgte. Nach dem Kronabtanzen nahmen wir heimlich Abschied von Schwiegermutter und nächster Sippschaft, und Mary folgte mir in ihre neue Heimath. Es war ein schöner, freundlicher Tag, und wir gingen selbander den Fußsteig, daß wir in ein Paar Stündlein den See erreichen konnten. So wünschte es Mary. Ob ihr auch manches Thränlein unter den Wimpern hervorquoll, als sie der Eltern Haus verließ, so ging sie doch freudig ihrem neuen Haushalte entgegen. Der Abend dämmerte über's Gebirg herüber, und röthete den Wellenschaum der Lulea-Elf, an deren Ufern uns der Weg hinführte. Es war uns beiden gar tiefwonniglich um's Herz! Wir sprachen nichts, und ließen uns doch gegenseitig in die Seele schauen. Ich fühlte, was sie dachte, da sie sich fest an meinen Arm schmiegte. Der Mond stieg zwischen den Goldwolken empor, und es kam uns beiden vor, als sei er noch nie so schön aufgegangen. Als wir den Wald betraten, zitterte sein Licht zauberhaft durch das Geäste. Mary legte sich mir an's Herz. Es bewegte sich ein Schwall von Empfindungen in ihrem Gemüthe, daß sie sich der Thränen nicht erwehren konnte. Gedachte sie auch, einer frohen Zukunft entgegen zu gehen, so lagen doch ihre Jugendträume hinter ihr, als die Gefühle, welche sie im Vaterhaus bewegten, wie der Tag, der so eben von uns geschieden war. Wir setzten uns nieder auf einen Windwurf, und ich beugte mich über sie, um ihr die Thränen wegzuwischen vom Auge. Da drang es plötzlich wie ein Wehruf zu uns her. Schnell rafften wir uns empor. Es dämmerte tiefer im Wald. Auf einer Felsenkuppe aber, die jenseits des Flusses über dem Wasser hing, stand ein Weib, die Arme wie drängend und abwehrend gegen uns erhebend. Ihr weißes Gewand schimmerte wie Schnee im Mondenlichte, und ihr lichter Schleier flatterte im Abendwinde. Schauerlich wie der Norne Lied, tönte ihr Spruch über das rauschende Gewässer herüber zu uns:
König Egir's Töchter im Lulea-See –
Ihr Brautlied drang aus den Wogen.
Da bewegt' es die Elfin wie Liebesweh,
Wie Liebesweh;
Hei Schatz, du hast mich betrogen.
Eine Wiegengabe bringe ich dir,
Einen Segen in's bräutliche Bette:
Und nach fünf Monden und aber nach vier,
Und aber nach vier,
Da liegt sie dir auf dem Brette.
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)