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mit Wohlgeruch erfüllten. Es war, als athmeten die Fichtenäste Sommerluft aus, so mild und lau wehete es mich an, da doch rings umher hoher Schnee auf dem winterlichen Felde lag. Anfangs kam es mir vor, als ob ich mich noch in meinem Traume fortbewegte; aber gar bald gelangte ich zur Ueberzeugung, daß ich auf die Elfenhöhe gerathen seyn müßte. Ihre Musik war es, die ich im Schlafe vernommen, unter ihrem Reigen war der Schnee geschmolzen, und keimten die Elfenringe empor. Voll Schrecken raffte ich mich auf, um die gefeiete Stelle zu verlassen; aber der Druck eines weichen Armes hinderte meine Bewegung. Eine schöne, blasse Dirne stand vor mir. Mit einer Stimme, wie Meerfrauengesang, bedeutete sie mir, daß ich ihr und ihren Elfenschwestern mein Leben zu verdanken hätte. Unfehlbar wäre ich auf meinem eisigen Bette erfroren, hätte nicht – da sie mich auf ihrer nächtlichen Wanderung gewahrten – ihr Tanz und ihr Zauberlied einen Frühling um mich aus dem Schnee hervorgelockt. So sprach die blonde Maid zu mir, und ihre Worte klangen alle so lockend, daß sie mir unwiderstehlich die Seele einnahmen. Ueber kurz – so setzte sie sich zu mir nieder unter den Fichtenbaum, legte ihre Hände in die meinen, sang mir liebliche Mährchen vor, und vom Gezweige herab flüsterte und klang es dazu wie Amselschlag. Das bewegte mein tiefstes Herz, und als ich ihr Valet sagte, fügte ich das Versprechen bei, des anderen Tages wieder zu kommen. Ich hielt auch, was ich zusagte. Von nun an verging keine Nacht, die ich nicht bei schön' Adelin verträumte. Meine Liebe wuchs wie die Alpenblumen in den Tagen des Hochsommers, und die ihre ward nicht schwächer mit der Zeit. Wollte mich hie und da ein unheimliches Gefühl übermannen, daß meine Liebe jenen geisterhaften Wesen gehörte, mit denen wir Menschenkinder nichts gemein haben sollten, die sich nicht selten unhold und feindselig gegen uns zeigten, so wußte schön' Adelin derlei Gedanken durch ihre Liebkosungen gar wohl aus meinem Herzen zu verdrängen. So gab ich mich ihr hin mit Leib und Seele. Den Plan, meine Hütte zu verlassen, ließ ich fallen, und der Ohm in Quickjock mochte sich um einen andern Knecht umsehen.

Um dieselbe Zeit wollte sein Sohn Hochzeit halten mit deiner Muhme. Auch mich ließ er laden zum Halnigdansen auf den Freitag nach Pfingsten, und ich konnte meine Zusage nicht verweigern. Als ich aber schön' Adelin mein Vorhaben kund that, da ward sie betrübt, als dränge sich ihr ein ahnendes Gefühl an's Herz. Je näher der Tag rückte, da ich zur Hochzeit wandern sollte, desto drängender und flehender wurden ihre Bitten, daß ich bei ihr bleiben möchte nur dieses Mal; dabei standen ihr die Thränen in den blaßblauen Augen. Doch hatte ich keinen Grund, von meinem Versprechen abzugehen, um so mehr, als ich binnen drei Tagen wieder zurückkehren wollte. So nahm ich denn Abschied von ihr, zehnmal wieder umkehrend und sie besänftigend, und als ich mich endlich losgerissen hatte aus ihren Armen, und meiner Hütte zuging, da war mir's selber so schmerzlich zu Muthe, daß ich fast beschloß, daheim zu bleiben. Doch – dem Himmel sei Dank – ich überwand mein thörichtes Gefühl!

Des anderen Tages zu guter Zeit machte ich mich auf den Weg nach Quickjock. Der helle, sonnige Morgen, dessen erster Strahl die Firnen beschien, machte mich heiter und fröhlich gestimmt. Ich wäre ein glücklicher Junge gewesen, hätte sich nicht die Erinnerung an schön' Adelin so oft trübselig in mein Herz eingeschlichen. – Nachgerade mußte ich über den Zustand meines Gemüthes nachdenken, und je freudiger die Sonne in den Tag hinein schien, desto unheimlicher kam mir die Liebe zu dem Elfenmädchen vor. So schnell eilte ich noch nie den Fußsteig längs des Seegestades und durch den Föhrenwald hin, wie dieses Mal. Immer däuchte es mir, als erlauschte Adelin meine geheimen Gedanken, und blicke gespensterhaft drohend hinter jedem Föhrenstamme, hinter jeder Felsenklippe vor, die mir am Wege aufstieß. Mir war erst wieder wohl um's Herz, als es Thal abwärts ging, und der Kirchthurm des Fleckens mir so sonntäglich entgegenblickte.

Freundlich empfing mich die Muhme und ihr Sohn mit dem wackeren Bräutlein. Sie wurde nicht müde mit Vorwürfen, daß ich so lange gesäumt, sie heimzusuchen. Wie ging mir die Seele auf, als ich mich wieder unter rothwangigen, lebensfrohen Menschen bewegte! Als ich mit der Muhme Töchterlein am Arme hinter den Brautleuten in die Kirche wanderte, nach langer Zeit wieder der fromme Klang der Orgel an mein Ohr schlug, und die schönen, segnenden Worte des Pastors; da erfaßte mich ein tief inniger Schmerz über meine Verirrung und über die sündhafte Neigung zur Elfendirne, und ich gelobte mir selber, abzulassen von dem bösen Wahne, der meine Sinne umstrickt hielt. So wendete ich mich an den frommen Mann, der über den Vetter und seine junge Braut den Segen ausgesprochen, schüttete ihm mein Herz aus, und erzählte ihm von der bösen Neigung, die sich meiner bemächtigt hatte. Der redete zu mir warnend, tröstend und rathend, so daß ich fest ward in meinem Plane. Gerne gab ich den Bitten der Muhme und ihrer Tochter, der

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)