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Nro. 5.
München, Erscheinen monatlich 2 bis 3 Mal. Preis der Nummer
Verlag von Braun & Schneider. 9 kr. R.W. od. 2 ggr. 24 Nummern bilden einen Band.


Elfenliebe.
(Schluß.)


III.


          Heim ging die Jungfrau Else,
          Ihr Herz von Sorgen wund;
          Darnach am Monatstage
          Lag sie im schwarzen Grund.
               „Ritter Ange und Jungfrau Else.“'


Ein kurzes Frühroth leuchtete des anderen Tages am Himmel. Der Schiffer und sein Sohn hatten vor Anbruch des Morgens die Netze ausgeworfen. Schweigend saßen sie am Ufer. Endlich hub der Alte an: „Es hat mich lange gedrängt, mein Nils, dir von einer Zeit zu erzählen, da auch auf meinem Lebenshimmel die Morgenröthe der Jugend zitterte. – Noch kennst du nur die Stelle, wo deine Mutter liegt und den langen Schlaf schläft; du bist alt genug, um zu erfahren, was ihr das Herz abdrückte in ihren Maitagen!“ Nils horchte auf, und der Alte fuhr also fort:

„Ich war ein Junge, kaum einige Jahre älter als du. Meines Vaters Hütte stand dazumal am jenseitigen Ufer des Lulea-See's, wo dort der Morgenstrahl auf dem Fichtenwalde ruht, der bis tief in die Landzunge hereinreicht. Schon vor meinem achtzehnten Jahre ward ich vater- und mutterlos, und lebte ein einsames Leben innerhalb der rauchigen Holzwände, welche den väterlichen Herd umschlossen. Diese öde Wirthschaft kam mir eben nicht sonderlich lustig vor. Bei allen dem war es auch nicht geheuer in der Umgegend. Trollen und Gnomen und sonst viel unheimlich Geistervolk hausete drüben, und sie drangen bis in den Stall meiner Hütte, so daß ich oft in der Dämmerung die Zwerggestalten mit ihren rothen Lappen auf dem Kopfe an mir vorüberhuschen sah. Dieser Spuk vermehrte das Unheimliche der heimathlichen Stelle, deren Leere mir seit dem Tode meiner Eltern ohnehin sehr schmerzlich fiel. Schon war ich daran, mich als Knecht an den Ohm in Quickjock zu verdingen, der nebst seinem Kramladen manch gutes Stück Ackerland besaß. Da begab es sich, daß ich mich noch vor Ausführung meines Planes in den Julitagen auf der Jagd verging. Die Kälte war grimmig, und so sehr ich fühlte, daß mein Leben auf dem Spiele stand, so konnte ich doch den Schlaf nicht überwinden, der mich schier zu Boden drückte. Ich mußte nachgeben, und so legte ich mich denn auf den schneebedeckten Boden unter einer breitästigen Fichte nieder, und entschlief.

Es mochte kaum ein Stündlein vergangen seyn, als eine wohlthuende Wärme mir die erstarrten Glieder durchdrang, und ich im Traume eine helle, freundliche Musik vernahm, so deutlich, daß ich d'rob erwachte. Voll Staunens merkte ich, wie ich auf üppigem Grasboden lag, einen Kreis frischblühender, bunter Blumen um mich, welche die Luft rings

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)