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Nro. 21.
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Adalbert Töckel, der Raucher.


Wie die Männer die Poesie zu verkennen pflegen, welche in dem Strümpfestricken der Frauen liegt, so verkennen auch die Frauen die Poesie, welche in dem Tabakrauchen der Männer liegt. Das Stricken und Stopfen von Strümpfen ist allerdings eine ziemlich nützliche und dabei reinliche Beschäftigung, und eine Frau thut überhaupt nichts, was nicht zugleich förderte und schaffte und seine Pfennigprocente abwürfe; um wie vieles poetischer dagegen ist das Tabakrauchen der Männer, und zwar schon darum, weil es, wie die Poesie selbst, eigentlich gar nichts abwirft, vielmehr noch Geldopfer verlangt.

Es gibt wirklich Männer, welche ihre Frau lieber missen würden, als ihre Pfeife, denn jene ist häufig kalt und leer an Gefühlsinhalt, wenn der Mann wünscht, sie möchte warm und voll sein, diese läßt sich in jedem Augenblick füllen und in einen brennenden Zustand versetzen; die Frau hat in jedem Augenblicke hundert Spitzen, die Pfeife immer nur eine; die Pfeife steht im Schmollwinkel ohne zu schmollen, die Frau macht das ganze Zimmer zu ihrem Schmollwinkel; der Pfeife kann man eher ein Dutzend Mal den Kopf, als der Frau einmal den Mund stopfen; bei der Pfeife fließen die bittern Säfte nach unten ab, bei der Frau steigen sie nach oben wie Dämpfe, die sich in Form von Tropfen – bei den Frauen Thränen genannt – an den Deckel hängen; die Frau setzt sich ihr Köpfchen selbst auf; der Pfeife wird er aufgesetzt; aber darin sind sie sich ähnlich, daß beiden häufig der Kopf raucht, und daß man beide ausklopfen kann.

Die Pfeife, diese Lippen-, Gaumen- und Luftröhren-Verlängerung des Mannes, diese verschwiegene, treue, anspruchslose, demüthige Geliebte, die mit wahrer Inbrunst an seinen Lippen und nur auf sein ausdrückliches Gebot an den Lippen eines Fremden hängt, ist daher des Mannes begleitende und tröstende Freundin geworden durch Freud’ und Leid, in Krieg und Frieden, im Müssiggange und bei der Arbeit, zu Wasser und zu Lande. Der Matrose, der Krieger, der arme Gelehrte ertragen alle Stürme des Meeres, alle Schrecken eines Feldzuges, alle Entbehrungen der Studierstube leichter im Zusammensein mit der gemüthlichen Pfeife, die ein nothwendiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft geworden ist, und mancher Student hat sich seinen Hunger, mancher Soldat seine Feigheit, mancher Junggeselle seine glühende Sehnsucht nach

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/165&oldid=- (Version vom 29.12.2019)