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wird es bleiben, bis ich über den Wolken wieder finde, was unter den Wassern begraben liegt. Schlaft wohl“

Der Armenier ging, und Angelo wandte sich grüßend zu uns. Nachdem wir von mancherlei Tagesneuigkeiten, von Wind und Wetter und von den Herrlichkeiten Stambuls geplaudert hatten, konnte ich nicht umhin, den Capitain über den Greis zu befragen, dessen seltsame Worte mir im Gedächtnisse geblieben waren.

„Ihr meint den alten Jussuf?“ versetzte Angelo. „Er ist ein würdiger, vom Schicksal schwer geprüfter Mann. Der blühende Wohlstand seines Hauses vermag ihm nicht zu ersetzen, was ihm die Treulosigkeit der Menschen und das falsche Meer geraubt. Wir sind alte Bekannte und ich habe unter seinem gastlichen Dache drüben in Scutari vor Zeiten manchen frohen Tag verlebt. Freilich,“ setzte er mit einem wehmüthigen Ausdrucke hinzu, „dort sieht es nun eben so öde und traurig aus, wie in seiner Brust.“

Unsere Neugier war gespannt. Wir rückten näher zusammen und drangen in Angelo, uns die Geschichte von des Armeniers Unglück mitzutheilen, was er denn auch mit folgenden Worten bereitwillig that:

„Wenn Sie die große Straße von Pera hinaufgehen, der Moschee der tanzenden Derwische zu, so werden Sie die Trümmer eines aus der Zeit der Genueser stammenden Gebäudes bemerken, welches seit der letzten Feuersbrunst nicht wieder aufgebaut wurde. Dort wohnte vor mehreren Jahren ein fränkischer Kaufmann, Philipp Reynaud mit Namen, der, ziemlich unbemittelt hier angelangt, rascher, als es gewöhnlich zu geschehen pflegt, zum Besitze von nicht unansehnlichen Glücksgütern gediehen war. Freilich verlautete mancherlei Seltsames über die Quellen dieses so schnell errungenen Wohlstandes, welchen seine Neider lieber einer unlauteren Handlungsweise, als seinem rastlosen Fleiße, und dem Glücke, das ihn bei manchen gewagten Unternehmungen begünstigte, zuschreiben wollten. Er verachtete indessen das Gerede der Leute und sah die Zahl seiner Freunde mit dem Wachsthume seines Vermögens täglich zunehmen. Mit Jussuf hatte er längst in Geschäftsverbindungen gestanden; endlich gelang es ihm auch, sich als Freund in sein Haus einzuführen, in welchem damals noch Leben und Freude herrschte. Denn Jussufs Frau war munter und fröhlich von Natur, und Maria, sein einziges Kind, stand eben in der vollen Blüthe des jungfräulichen Alters.

Selten ist mir ein reizenderes Wesen vorgekommen. Sie war schlank und zierlich gebaut, und jede ihrer Bewegungen von unaussprechlicher Anmuth. Aus dem großen freundlichen Auge, dem Spiegel ihrer Seele, blickte die reinste Herzensgüte, und wer nur einmal dies feine von leise durchschimmerndem Roth belebte Antlitz aus dem üppigen Gelock des seidenweichen goldbraunen Haars hervorlauschen gesehen, der gönnte dem holden Kinde sicher den bezeichnenden Namen der „Rose von Scutari“, welchen die Mädchen jenes Stadtviertels der Freundin gegeben hatten. Man beneidete schon im Voraus den Glücklichen, der Marien einst heimführen würde, nicht allein um ihrer Anmuth und Tugend willen, sondern zugleich auch wegen der Aussteuer und des reichen Erbes, das ihr Bräutigam erwarten durfte. Dennoch mochte es keinem Franken in den Sinn kommen, sich um ihren Besitz zu bemühen, da, der alten Sitte getreu, die Töchter der Armenier sich selten anders verheirathen, als an ihre Landsleute und Glaubensgenossen. Mit um so größerem Erstaunen sah man daher Philipps Besuche so häufig werden, daß sich fast mit Gewißheit auf ein Verhältniß zwischen ihm und der Tochter des Armeniers schließen ließ, bis er endlich selbst das längst verbreitete Gerücht von seiner nahe bevorstehenden Verbindung mit der schönen Maria bestätigte.



Philipp mochte dreißig Jahre alt seyn. Er war ein gewandter und entschlossener Mann, von angenehmer Lebensart, in abendländischer und morgenländischer Sitte gleich wohl erfahren. Die Bildung seines blassen, von kurz geschnittenem Haar und glänzend schwarzem Barte eingefaßten Gesichtes hätte fast regelmäßig schön heißen können; sein dunkles Auge war feurig und durchdringend, nur ein eigenthümlich unheimlicher Zug, der ihm in aufgeregten Augenblicken, einem bitteren Lächeln nicht unähnlich, um die scharf geschlossenen Lippen zuckte, wollte mir niemals recht gefallen. In der Unterhaltung war er lebhaft und witzig; er erzählte gut, und wußte von seiner Heimath, von seinen Reisen und Abenteuern auf das Anziehendste zu berichten. Was Wunder, wenn Maria dem schönen Manne, welchen sie noch dazu von ihren Aeltern begünstigt sah. bald lieber zuhörte, als jedem Andern, und endlich mit der ganzen Schwärmerei einer jugendlichen Seele sich ihm hingab. Ich überlasse es Ihnen, sich die volle Süßigkeit eines derartigen Brautstandes in diesem zum Genusse u. zur Liebe geschaffenen Himelsstriche auszumalen; bedenken Sie aber zugleich, daß für uns arme Sterbliche das Paradies verloren ging und

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/150&oldid=- (Version vom 28.5.2019)