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Nro. 19.
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Demant und Rose.


Der Abend neigte sich seinem Ende zu, als wir von einem Ritte heimkehrten, der uns um die Mauern von Konstantinopel geführt hatte. Noch voll des Eindruckes, den die großartigen Denkmale der altberühmten Stadt in unserer Seele hinterlassen mußten, bestiegen wir bei den sieben Thürmen eines jener leichten, zierlichen, aber auch gefährlichen Fahrzeuge, welche der Orientale Kaik nennt, und die, wie Wasservögel, zu Tausenden den Bosporus und das goldene Horn durchkreuzen. Wir hatten noch nicht die Hälfte unserer Fahrt nach dem gegenüberliegenden Galata zurückgelegt, als der Sonnenball, feurig und roth wie glühendes Eisen, hinter den fernen Höhen versank, nur eine leise goldene Glorie am Horizonte zurücklassend. In diesem Augenblicke verhallte der letzte Gesang des Muezzins von den Minarets, auf den Kriegsschiffen wurden unter Kanonendonner die Flaggen eingezogen, und wenige Minuten später lagerte tiefe Stille über den Wassern.

In jenen Himmelsstrichen folgt die Nacht fast unmittelbar auf den Sonnenuntergang. So begann es schon tief zu dunkeln, als wir landeten. Doch zu aufgeregt, um bereits in den engen Zimmern unsres Gasthofes den Schlummer zu suchen, beschlossen wir, nicht sogleich nach Pera hinaufzusteigen, sondern zuvor noch in einem der nahe gelegenen Kaffeehäuser ein Stündchen zu verplaudern.

Dort wollte jedoch kein rechtes Gespräch in Gang kommen. Der Eine von uns, der wohl jetzt, ausruhend, die Ermüdung seiner Glieder spürte, lehnte sich schläfrig in die Ecke des Divans zurück; ein Anderer glaubte die Zeit nicht besser benützen zu können, als durch Eintragen einiger Bemerkungen in seine Schreibtafel; ich selbst gedachte der mancherlei Schicksale, welche seit langen Jahrhunderten über die Stätte hingegangen waren, auf der ich wandelte. So schwiegen wir Alle, und bliesen, an dem Bernsteinstücke des langen Tschibuks saugend, den gewürzigen Dampf desselben in bläulichen Strahlen vor uns hin.



Nicht weit von uns hatte ein alter Armenier von ehrwürdigem Ansehen Platz genommen; er schien mit dem österreichischen Schiffskapitain, dessen schnell segelndes Fahrzeug uns von Smyrna herüber geführt hatte, in ein ernstes Gespräch vertieft. Mit meinen Gedanken beschäftigt, merkte ich nicht auf die Unterredung der Beiden, bis endlich der Armenier aufbrach und mit einem schweren Seufzer sagte: „Ja, Signor Angelo, heute sind es drei Jahre, und seitdem hatte ich bei Tage keine Freude, bei Nacht keine Ruhe. Und so

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/149&oldid=- (Version vom 3.8.2020)