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schnitten die übelsten Gesichter. Nur unser Wetterprophet schwitzte oder gab vor zu schwitzen. In seinem Schlaf- und Arbeitzimmer durfte nicht geheitzt werden, und bei seinen täglichen Spaziergängen die Ludwigsstraße auf und nieder, suchte er die Schattenseite, wie er im April 1844 stets die Sonnenseite gesucht hatte. Er trug ein leichtes Sommerfräckchen, dünne Nankinghosen, Schuhe und seidene Strümpfe, die bebrillte Nase hoch in die Luft gesteckt und den Hut unter dem Arme, während er den angeblichen Schweiß mit dem Taschentuche von der Stirn wischte.



„Aber Mann Gottes!“ sagte einmal ein Bekannter zu ihm, „wie können Sie es nur so aushalten?“

„Ja, das sage ich selbst,“ antwortete gelassen unser Wetterprophet, „es ist, nämlich für den Winter, wo man an dergleichen nicht gewöhnt ist, so unausstehlich schwül, daß man kaum die Kleider auf dem Leibe dulden mag,“ und er pustete auf’s schrecklichste und wischte sich den Schweiß von dem ganz blau gefrornen Gesichte.

Unser Wetterprophet beweist, daß es auch jetzt noch Märtyrer gibt, die um ihres Glaubens willen allen Mühsalen, Schmerzen und Peinigungen mit dem unerschütterlichsten Heldenmuthe Trotz zu bieten wissen.






Politische Korrespondenz.

Paris den 1. Juli 1845. Sie haben vermuthlich schon längst gelesen, daß die Armirung unserer Forts nunmehr nach heftigen Debatten genehmigt, und bereits die Summen hiefür angewiesen sind; aber die Art der Geschütze selber, die aus der Menge der zur Probe gestellten Modelle, die von Toulon, Arras, Brest und weiß Gott woher eingesandt kamen, gewählt wurde, ist Ihnen ohne Zweifel noch fremd. Ich beeile mich, Sie davon in Kenntniß zu setzen.

Gestern Abend in Gesellschaft bei General Laidet[WS 1] kam Thiers[WS 2] auf mich zu und sagte: „Sehen Sie, Freund, wir haben jetzt gefunden, was wir längst gesucht. Betrachten Sie sich einmal dieß Blättchen.“ Dabei langte er aus seinem Portefeuille, das er beständig unter dem Arme trägt, eine kleine Zeichnung hervor, die er mir nachher überließ, und die ich Ihnen hier beilege. Er erklärte mir nun Alles ganz ausführlich – ich gebe es kurz wieder.

Es ist dieß die Erfindung von Mr. Baudequin, früher in der großen Gießerei von Mr. Halette in Arras beschäftigt.



Fig. 1 stellt die allgemeine Form des Geschützes dar. Schon beim ersten Anblick fällt jedem das Leichtbewegliche in der Construction auf. Man braucht es nur hinten oder vorne an den Seitenringen aufzuheben, um es schnell vom Platze und in jede beliebige Richtung zu bringen. Dieß ist indessen gar nicht nothwendig, da die Pièce beständig auf einem Flecke stehen bleiben soll und vorne und hinten losgeht, und deßhalb 2 Kammern und 2 Zündlöcher hat. In dieser Form werden nun die verschiedenen Kaliber angefertigt, (nämlich 800 Stück Sechsunddreißigpfünder, 1200 Stück Vierzigpfünder und 600 Achtundvierzigpfünder) und dergestalt auf den Wällen placirt, daß die eine vordere Seite, die mit dem Wappen von Paris und der Inschrift: Pour l’honneur et la gloire de la patrie geziert ist, nach dem Lande zu gerichtet wird, und die Rückseite mit dem Wappen von Frankreich und der Devise: dedié à la capitale fidèle, in die Stadt hinein sieht. Bereits wurden mit der einen neuen fertigen Pièce (die jetzt auf dem Fort von Ivry steht) in Arras Proben gemacht, die nach Urtheil von Sachverständigen, äußerst genügend ausgefallen sind.

Fig. 2 gibt diese Pièce im Grundplan.

Fig. 3 ist das Modell einen Schilderhäuschens, was vornen und hinten offen steht, und wohlweislich 2 Windfähnlein hat, um zu sehen, ob der Wind von der Stadt kommt, oder von außen. Die Schildwachen selber anbelangend will man bedacht seyn, lauter Schielende anzustellen, deren Augen dergestalt divergiren, daß sie zu gleicher Zeit die 2 entgegengesetzten Seiten bestreichen können.

Fig. 4 ist der verbesserte Delvigne’sche Carabiner mit Bajonett, gleichfalls von Mr. Baudequin. Vorderhand sind 30,000 Stücke in Arbeit.

Es war 1 Uhr 23 Minuten, als ich mit den Herzogen von Saumur und Chartres den Salon verließ. Thiers eilte mir nach und sagte, indem er mir auf die Achsel klopfte: „Vielleicht können Sie das Ding für die feuilles volantes brauchen. – Grüßen Sie mir die Herren Braun und Schneider. Gute Nacht.“ –


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Mit General Laidet ist offensichtlich gemeint: Fortuné Leydet (1780–1854), französischer Offizier und Politiker.
  2. Gemeint ist offensichtlich Adolphe Thiers (1797–1877), französischer Politiker und Historiker.
Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/139&oldid=- (Version vom 17.1.2018)