1.
Es war einmal – das Datum wird
So viel just nicht bedeuten, –
Ein Spielmann aus der Schenke ging,
Die Fidel an der Seiten;
Als war er süßen Mostes voll,
Und hätt’ er Lieb im Leibe.
2.
Schon war es Nacht, da mußt er noch
Den Forst hindurch, den wilden,
Ihr Abendkränzchen hielten.
Es konnte Fall’ und Eisen nie
Ausrotten dieses Teufelsvieh,
Noch zur Kultur bewegen.
3.
Jetzt geht es just in Einem;
Ich bin zwar mit dem Wirth noch nicht,
Doch mit der Seel’ in Reinem.
Komm’ ich erst heil aus dieser Noth,
Ein mächtig Loblied singen!
4.
So tritt er in den Wald; es rauscht
Das Laub ihm unterm Fuße;
Stockfinster ist’s, der Uhu schreit
Und wie er taumelnd vorwärts dringt, –
Da weicht der Boden, und – er sinkt
Zween Klafter tief hinunter.
5.
Wie höhnisch lächelnd schaut der Mond
Doch – Gott sei Dank – er rafft sich auf
Und ist noch frisch und munter.
Doch still – da rührt sich’s neben ihm,
Ein dickes, schwarzes Ungethüm
6.
Und wie er lugt, da hätt’ ihn fast
Der kalte Schlag gerühret!
Es war ein Bär, den sein Geschick
In’s gleiche Loch geführet!
Sei mir mit deiner Hilfe nah,
Sonst heißt’s: Matthä am letzten!
7.
Da griff er in der Herzensangst
Nach Bogen und nach Geigen,
Als gält’s den Kirmesreigen.
Der Bär – beim ersten Bogenstrich
Stellt auf die Hinterfüße sich,
Als thäts ihm baß behagen.
8.
Den Braunen hinzuhalten.
Er tischt ihm seine Stücklein auf,
Die neuen und die alten;
Und war erschöpft sein Liederborn,
Und schreit sich matt und heiser.
9.
Und Bruder Petz, das wack’re Vieh,
Kann sich nicht satt vernehmen!
Solch’ musikalisches Genie
Der Spielmann aber geigt und singt,
Und ob auch manche Saite springt:
Er spielt zuletzt auf einer!
10.
Doch mit der letzten Saite riß
Es wär auch Sünde an der Kunst,
Noch Gnade zu gewähren.
Jetzt, Spielmann mach’ dein Testament,
Dein Lebensliedlein geht zu End’,
11.
Horch – Rüden klaffen in dem Wald,
Muth – Muth – du wackrer Singer!
– Der wickelt just den letzten Darm
Sich krampfhaft um den Finger.
Als wäre es sein Schwanensang,
Hervor aus seiner Geige. –
12.
Dann dacht’ er sich: „Nun ist es Eins,
„Jetzt bin ich doch verloren!“
Dem Bären um die Ohren,
Daß sie in Trümmer rings zerfiel;
„Ich sterb’ mit meinem Saitenspiel!“
So dacht’ er – und ergab sich.
13.
Umschlungen an den Lenden:
Da fiel ein Schuß – und Petz mußt just
Zur rechten Zeit verenden!
Der Spielmann aber stieg heraus –
Das ist die Macht der Töne.
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/121&oldid=- (Version vom 11.6.2017)