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heraus. Ja, sehen Sie mich nur nicht so verwundert an, meine Herren! Dies ist die gewöhnliche Art der Bezahlung in Algier. Die Beduinenköpfe sind da so wohlfeil, daß jeder nur einen Frank gilt. War meine Börse, die freilich die Form und Größe eines Mehlsackes hatte, leer, so ritt ich hinaus in die Wüste, fing mir ein halbes Dutzend Beduinen ein, knüpfte drei davon rechts, die andern drei links an die Spitze meines Knebelbartes und ritt mit ihnen gemüthlich durch die Wüste nach Algier wieder zurück. Hier lieferte ich meine Gefangenen in die Münze, d. h. in die Anstalt, wo ihnen vorschriftsmäßig die Köpfe abgelöst wurden, und“ –

„Aber Ihr Löwe von Constantine?“ fällt ihm hier ein inzwischen unruhig gewordener Zuhörer ins Wort.

„Ach, die Vorstellungen drängen sich in mir so ungeheuer,“ fährt Fritz Beutel fort, „daß ich Eins über dem Andern vergesse. Was jenen merkwürdigen Vorfall betrifft, so muß ich zuvörderst erwähnen, daß ich Offizier in der berittenen Löwengarde war.“

„Löwengarde!“ Allgemeines Erstaunen; „davon haben wir ja in den Zeitungen gar nichts gelesen,“ sagt Jemand.

„Das glaub’ ich gerne,“ äußert Fritz Beutel stolzen Blickes, „ich selbst habe die afrikanische Löwengarde erfunden und organisirt, und weil ich einer aus dem Fremdenbataillon war, so beneideten mich die schurkischen Franzosen, namentlich der damalige Gouverneur, dessen Haß so weit ging, daß er zu jener Zeit alle Briefe erbrechen und jede Anspielung auf meine Löwengarde darin streichen ließ.“

„Denken Sie sich, meine Herrn, einen Trupp von tausend wohl gezähmten und einexercirten Löwen, und auf jedem einen trefflich bewaffneten Reiter, mich aber voran auf einem prächtigen Löwen, den ich mit eigener Hand eingefangen und zugerichtet hatte.“

„So erschienen wir vor Constantine. Der Sturm wurde befohlen! Vergebens! Muthlosigkeit ergriff die ganze Armee. Ich mit der Löwengarde stand als Reserve in langer Front aufmarschirt. Kaum war es noch möglich, die Löwen, welche durchaus stürmen wollten, in Zaum zu halten, sie brüllten so gewaltig, daß weder von dem Kanonendonner, noch von dem Kleingewehrfeuer Etwas zu hören war.“


„Da sprengt plötzlich der Gouverneur mit seiner Suite zu mir heran.“

„Bester Herr Beutel!“ redet er mich an, „Sie sehen, wie verzweifelt unsere Angelegenheiten stehen; Sie sind meine letzte Rettung, meine ultima ratio. Getrauen Sie sich, mit Ihrer Löwengarde das Hauptthor zu nehmen?“

„Eine Kleinigkeit“ antwortete ich, „ich mit meinem Löwen ganz allein!“

„Hierauf suche ich mir ein halbes Dutzend wackere Kerle aus, die alle hinter mir auf meinem Löwen aufsitzen müssen; ein anderes halbes Dutzend hängt sich in die Mähnen und ein weiteres halbes Dutzend an den mächtigen Schweif.“ –

„Vorwärts,“ rufe ich „Löwengarde!“ „In drei gewaltigen Sätzen ist mein Löwe an dem so lange vergebens bestürmten Hauptthor, mit dem vierten darüber hinweg; mein Löwe – Gott habe ihn selig! fällt von vierzig Kanonenkugeln durchbohrt, die er schon während des Sprunges erhalten hatte; aber achtzehn tüchtige Kerle, ich an ihrer Spitze, sind in der Stadt; wir hauen so blind um uns, daß wir nicht die Spur von einem Feinde vor uns sahen; wahrscheinlich hatte er auch aus Schreck bereits die Flucht ergriffen; – wie gesagt, in so gewaltiger Aufregung kümmert man sich nicht viel um solche Lumpereien und Kleinigkeiten – alles Uebrige kann man sich denken, – Constantine war unser – durch die Reihen der Franzosen tönte ein herzliches: Hoch lebe Herr Fritz Beutel!“

„Wollte Gott! sie hätten mir auch ein Lebehoch zugerufen, als ich zerschossen, zerhauen, zerspießt, verstümmelt, amputirt und operirt meinen Abschied nehmen mußte. Da thaten sie aber gar nicht, als ob es noch einen Fritz Beutel gäbe, welcher für sie Constantine erobert hatte. Ja, ich kann sagen, ich habe nicht Eine Schlange, sondern ein Heer von Schlangen in meinem Busen ernährt, die gesammte französische Armee in Algier. Zwanzig Kugeln hat man mir aus meinem Leibe geschnitten, die ich Ihnen alle zeigen könnte, wenn sie nicht in das französische Nationalmuseum gebracht worden wären, die einzige Anerkennung, welche ich gefunden habe. Nur eine vier und zwanzig pfündige Kanonenkugel besitze ich noch, die sich bei der Erstürmung von Constantine so in meinen Burnus verwickelte, daß sie mir weiter keinen Schaden brachte.“

„Es sind dies Dinge, welche sehr kurios klingen, aber wer einmal nach Algier kommt, der frage nur nach Fritz Beutel: es kennt ihn dort jedes Kind. Besonders die Araber verehrten mich wie ein übermenschliches Wesen. Damals hieß es auch: Es gibt nur Einen Gott und Einen Fritz Beutel, und Muhamed ist ihr Prophet!“




Hermann Marggraff.

Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/120&oldid=- (Version vom 11.6.2017)