(2.) 58 In der Stadt konnte man sich über das, was zu thun sei, nicht einigen. Die eine Partei hielt dafür, man solle dem Pompejus die Stadt übergeben, während des Aristobulus Anhänger verlangten, man solle die Thore schliessen und sich zum Kriege rüsten, weil Aristobulus gefangen gehalten werde. Die letzteren besetzten darauf den Tempel, zerstörten die ihn mit der Stadt verbindende Brücke und bereiteten sich auf eine Belagerung vor. 59 Die anderen dagegen liessen das Heer ein und übergaben dem Pompejus die Stadt und den Königspalast. Dieser sandte darauf seinen Legaten Piso mit einem Heere und liess die Stadt und den Palast besetzen sowie die in der Nähe des Tempels liegenden Häuser und die ganze Umgebung desselben befestigen. 60 Zunächst unterhandelte er nun noch mit der Besatzung des Tempels in betreff des Friedens. Da dieselbe aber auf seine Bedingungen nicht eingehen wollte, liess er die Umgebung des Tempels mit einer Mauer einschliessen, wobei Hyrkanus alle notwendige Hilfe leistete. Pompejus lagerte sich darauf an der Nordseite des Tempels, wo derselbe am leichtesten zu berennen war. 61 Hier erhoben sich hohe Türme, und es zog sich ein Graben noch innerhalb der tiefen Schlucht hin. Die der Stadt zugekehrte Seite, wo Pompejus sich befand, fiel nach Zerstörung der Brücke jäh ab, und der Wall wurde täglich mit grosser Mühe weitergeführt, indem die Römer die in der Nähe stehenden Bäume fällten. 62 Sobald aber der Wall vollendet und der sehr tiefe Graben notdürftig ausgefüllt war, liess Pompejus Belagerungs- und Schleudermaschinen von Tyrus kommen und begann den Tempel mit Steingeschossen zu überschütten. 63 Wäre es nun nicht Sitte bei uns, am siebenten Tage zu feiern, so wäre wohl die Vollendung des Walles von den Belagerten verhindert worden. Das Gesetz erlaubt nämlich, sich in der Schlacht gegen den Angriff des Feindes am Sabbat zu wehren, aber nicht, einer anderen feindlichen Unternehmung entgegenzutreten.
Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/216&oldid=- (Version vom 12.12.2020)