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beweinten nicht nur ihren Bruder, weil er bald die Strafe für den Diebstahl zu erleiden hätte, sondern auch ihr eigenes Schicksal, weil sie das dem Vater bezüglich Benjamins gegebene Versprechen nun nicht halten könnten. 135 Vermehrt wurde ihr Leid noch dadurch, dass, als sie schon allem Unheil entronnen zu sein wähnten, widriges Geschick sie noch in dieses Unglück gestürzt habe. Und sie bekannten sich als Urheber nicht nur des Unglückes ihres Bruders, sondern auch der Trauer ihres Vaters, den sie wider seinen Willen veranlasst hatten, den Knaben mit ihnen zu schicken.

(8.) 136 Die Reiter ergriffen darauf den Benjamin und führten ihn zu Joseph zurück; die anderen Brüder aber folgten ihnen. Da nun Joseph den Benjamin gefangen genommen und die Brüder in Trauer um ihn versunken sah, sprach er zu ihnen: „Was denkt ihr, ihr Nichtswürdigen, von meiner Menschenfreundlichkeit und von Gottes Vorsehung, da ihr solches gegen euren Wohlthäter und Gastfreund verüben konntet?“ 137 Sie aber erboten sich, die Strafe für Benjamin zu erleiden, riefen sich auch ins Gedächtnis zurück, wie frevelhaft sie gegen Joseph gehandelt, und priesen ihn glücklich, dass er (wenn er gestorben sei) den Mühsalen des Lebens entrückt sei. Sei er aber noch am Leben, so erlitten sie jetzt die Strafe, die Gott ihnen für ihre Frevelthat auferlegt; und sie nannten sich des Vaters Unheil und Verderben, weil sie zu seinem Leid um Joseph noch die Trauer um Benjamin hinzugefügt hätten. Besonders heftige Vorwürfe machte ihnen Rubel. 138 Joseph aber erklärte, er wolle die anderen ziehen lassen, da sie ja nichts verbrochen hätten, und mit der Bestrafung des Knaben allein zufrieden sein. Denn es sei nicht weise gehandelt, diesen den Unschuldigen zu Gefallen frei zu lassen, noch sie zugleich mit dem offenkundigen Dieb zu bestrafen. Alsdann versprach er ihnen beim Abzug sicheres Geleit. 139 Sie waren hierüber bestürzt und vor Schmerz sprachlos. Judas aber, der den Vater beschwätzt hatte, den Knaben mit ihnen ziehen zu lassen,

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/95&oldid=- (Version vom 4.8.2020)