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Gott Auskunft über den Traum zu erhalten. 199 Ariochus meldete dem Könige das Begehren Daniels, und dieser liess denn auch die Hinrichtung der Mager verschieben, bis er über das Versprechen Daniels Gewissheit habe. Der Jüngling zog sich alsdann mit seinen Freunden in seine Wohnung zurück und flehte die ganze Nacht hindurch zu Gott, er möge ihm den Traum erklären und die chaldaeischen Mager, mit denen sie ja auch selbst umkommen müssten, vor dem Zorne des Königs retten, indem er ihm den Traum offenbare, den der König in der vergangenen Nacht gehabt habe, und der diesem entfallen sei. 200 Gott, der Mitleid mit den Gefährdeten hatte, und dem Daniels Frömmigkeit wohlgefiel, teilte ihm darauf den Traum und seine Auslegung mit. 201 Daniel erhob sich voll Freude, teilte seinen Mitbrüdern die Sache mit, befreite sie, die schon um Leben verzweifelten und mit Todesgedanken erfüllt waren, vom Schrecken und flösste ihnen neue Hoffnung ein. 202 Hierauf dankten sie Gott dafür, dass er sich ihrer Jugend erbarmt habe, und Daniel begab sich bei Tagesanbruch zu Ariochus mit der Bitte, ihn zum Könige zu führen, weil er diesem den Traum sagen könne, den er in der vorvergangenen Nacht geträumt habe.

(4.) 203 Als Daniel beim Könige Einlass erlangt hatte, bat er zunächst, er möge ihn nicht für weiser halten als die chaldaeischen Mager, weil er ihm den Traum verkünden werde, den die anderen nicht hätten finden können. „Denn,“ fuhr er fort, „nicht meine Erfahrung oder mein grösserer Scharfsinn hat das bewirkt, sondern Gott hat sich unserer Not erbarmt und mir auf meine Bitte um mein und meiner Stammesgenossen Leben den Traum und seine Auslegung kundgethan. 204 Nicht so sehr mein eigenes Leid um unsere Verurteilung zum Tode hat mich beunruhigt, als vielmehr die Furcht um deinen Ruhm, den du durch die Verurteilung guter und ehrenhafter Männer schmälern wolltest, nachdem du etwas von ihnen verlangt hattest, das nicht menschlicher Scharfsinn, sondern nur Gottes Weisheit allein ermitteln konnte.

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 633. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/632&oldid=- (Version vom 12.12.2020)