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ist heute bei der ungeheuren Ueberproduction nicht ohne Schwierigkeit zu beantworten. Grössere Werke werden gar nicht mehr ganz durchgelesen, sondern die immer mehr in Brauch kommende Gewohnheit der ausführlichen Indices ermöglicht ein Nachschlagen der Stellen, deren man gerade bedarf. Kleinere Aufsätze pflegen in[1] zahlreichen Zeitschriften zerstreut zu stehen, und es gehört grosse Entsagung dazu, um die ganze Thätigkeit eines Gelehrten kennen zu lernen und richtig zu beurtheilen. Bei jüngeren Lehrern entscheidet für die Carriere oft eine Arbeit, deren entscheidender oder neuer Gedanke dem promovirenden Ordinarius verdankt wird, während der glücklich Berufene später nicht selten eine ziemliche Impotenz an den Tag legt.

Wenig von Bedeutung, aber nicht ohne Einfluss sind die Recensionen der deutschen Anzeigeblätter. Wer vorsichtig ist, lässt sich von guten Freunden recensiren. Wer auf Recensionen nichts giebt, hat leicht das ganze Heer der Recensenten gegen sich, die oftmals ihre eigene wissenschaftliche Blösse dadurch zu verdecken suchen, dass sie fleissige Arbeiten in unhöflichem und absprechendem – in der classischen und neueren Philologie oftmals grobem und brutalem – Ton behandeln. In der bedeutendsten norddeutschen Litteraturzeitung, die in manchen Zweigen einen sehr einseitigen Standpunkt der Schulen herauskehrt, findet man unbedeutende Doctorarbeiten, durch welche die Wissenschaft gar nicht

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Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/254&oldid=- (Version vom 17.8.2016)