ohne Zustimmung des Corps aufgedrungen werden könne.
Versuchen wir es zunächst, die thatsächliche Behandlung der Personalfrage ins Auge zu fassen, und sie mit dem Verfahren bei anderen Berufsklassen zu vergleichen. Wenn der Minister einen Assessor zum Regierungsrath befördert, so wird er voraussichtlich dessen Examen und dann seine praktische Tüchtigkeit ins Auge fassen. Schwerlich wird er jemals das Collegium der übrigen Assessoren nach der Persönlichkeit ausfragen – wie viele vortreffliche Beamte würden dann wohl niemals zur Anerkennung gelangt sein? –, sondern er wird sich bei dem Vorgesetzten nach dessen Führung erkundigen, was im Grunde genommen doch nur auf die Frage nach der thatsächlichen Unbescholtenheit zurückgeführt werden kann. Auf weiteres wird er sich vermuthlich niemals einlassen. Die Culturstaaten haben schon liebenswürdige Beamten gehabt und unliebenswürdige: weiche und schroffe Charaktere, zugängliche und unzugängliche Personen, ohne dass das Amt dadurch wesentlich gelitten hat. Das eine ist vielleicht bequemer, das andere unbequemer, das eine wird vom Publikum vorgezogen, das andere nicht: indessen der Dienst braucht deshalb nicht zu leiden oder davon afficiert zu werden. Die Menschen sind eben in allen Berufsklassen verschieden geartet, und zwar zum grossen Glück; und es wäre traurig, wenn alle nach einer Schablone zugeschnitten wären.
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/223&oldid=- (Version vom 18.8.2016)