weniger eingenommen hätte. Ein anderer Professor verkündete vor kurzem in einer schwäbischen Zeitung, dass es gleichgültig sei, ob ein Docent einige Jahre früher oder später zur Anerkennung und Geld gelange, wodurch das Verhungern eines Docenten als eine gleichgültige Affaire hingestellt war. In derselben Weise werden die Vorlesungen und die Wissenschaft rein vom geschäftlichen Standpunkt aus betrachtet; und daher bei Beginn jedes Semesters die wochenlange Besprechung des Curswerthes. Dies heisst Idealismus in der heutigen Professorenwelt, und dies ist eine Folge des in diesem Stand überhand nehmenden Reichthums!
Aber noch ein Punkt darf hierbei nicht unerörtert bleiben. An manchen Hochschulen wenden sich nicht selten Candidaten an Extraordinarien und lassen sich von diesen ein Thema zur Arbeit geben. Oftmals hat ein Extraordinarius mit grosser Sorgfalt und Zeitopferung semesterlang eine Arbeit bewacht, behütet und sie anwachsen und gelingen sehen. Ist sie aber fertig, dann bekommt er sie weder zur Begutachtung (man giebt sie lieber einem Ordinarius, dem das Gebiet ganz fremd ist), noch nimmt er an dem Examen Theil, noch erhält er etwas von dem zur Vertheilung kommenden Geld. Ja manche Facultäten würden ihm nicht 10 Mark geben, wenn sie wüssten, dass er dadurch vom Hungertode gerettet würde. Oder giebt es Facultäten, die in solchen Fällen anders zu handeln pflegen?
Hans Flach: Der deutsche Professor der Gegenwart. Leipzig 1886, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Flach_Der_deutsche_Professor.djvu/046&oldid=- (Version vom 18.8.2016)