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wurde.[1] Auch die stillschweigende Anerkennung des Fürstenstandes, wie wir sie bei manchen weltlichen Grossen fanden, hatte bei geistlichen wenigstens nicht in demselben Masse statt; von spätern geistlichen Fürstenstimmen können wir darauf die des Hoch- und Deutschmeisters, des Bischofs von Kamin, des Probstes von Berchtesgaden zurückführen; wo der Fürstentitel sich sonst in ähnlicher Weise geltend machte, wie bei den jüngern Salzburger Suffraganen, der Aebtissin von Thorn, führte er zu keiner fürstlichen Stimme, oder dieselbe wurde doch, wie beim Abte von S. Maximin, auf die Dauer nicht behauptet. Wichtiger wäre der Umstand gewesen, dass seit dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts die liefländischen Bischöfe ihre Fürstenrechte zu üben begannen; aber es war das nur von kurzer Dauer. Gegenüber der grossen Zahl jüngerer und neuer weltlicher Fürsten finden wir demnach nur vier neue geistliche Fürsten, welche Fürstenrechte übten.

     Dennoch würde bei der grossen Zahl der alten geistlichen Fürsten die angedeuteten Verhältnisse noch kein Gleichgewicht herbeigeführt haben, hätte sich nicht die Zahl der geistlichen Fürsten nicht allein nicht gemehrt, sondern gemindert. Zunächst behaupteten manche geistliche Fürsten wohl ihre Reichsunmittelbarkeit und Reichsstandschaft, aber nicht die Führung einer Fürstenstimme, sondern nur Antheil an den Kuriatstimmen der Prälaten; das war insbesondere der Fall bei den Aebtissinnen, von welchen, wenn sie auch durchweg später den Fürstentitel führten, doch keine eine fürstliche Stimme führte; dann aber auch die Aebte von S. Emmeran, Inden und Werden; dürfen wir bei jenen eine Uebung fürstlicher Rechte bezüglich des Reichsganzen auch für frühere Zeiten kaum annehmen, so dürfte bei diesen der Grund am wahrscheinlichsten in längerer Nichtübung derselben zu suchen sein; sie befanden sich später in derselben Stellung, wie die grosse Zahl reichsunmittelbarer Prälaten, welche nie Fürsten gewesen waren. Nicht einmal Antheil an den Prälatenstimmen hatten der Abt von Ottobeuern und die Aebtissin von Elten, wenn sie auch ihre Unmittelbarkeit behaupteten; beide sind freilich solche, für welche sich auch der frühere Fürstenstand nur vermuthen lässt.

     Eine weitere Verminderung der geistlichen Fürsten trat dadurch ein, dass manche ihre Unmittelbarkeit verloren und der Landeshoheit anderer Reichsfürsten unterworfen wurden; so Utrecht durch Vertrag von 1529, die brandenburgischen und kursächsischen Bisthümer, die baierischen und burgundischen Abteien, Selz, Seckingen und die schon genannten inkorporirten Abteien; dahin würden auch sämmtliche italienische Fürstbischöfe gehören.[2] Im J. 1648 wurden dann neun geistliche Fürstenthümer zu Gunsten weltlicher Reichsstände säkularisirt.

     Endlich minderte sich die Zahl der geistlichen Fürsten dadurch, dass umfangreiche Landstriche dem Reiche ganz entfremdet wurden.

     Das war zunächst der Fall durch den Verlust des Arelat bei allen dortigen Fürstbischöfen, wie wir mehrfach bei den Einzelnen nachwiesen; dann beim Patriarchen von Aglei. Die Lösung der vereinigten Niederlande vom Reiche minderte die Zahl nicht, da das Bisthum Utrecht schon früher mittelbar war; um so mehr war das der Fall durch die Ausscheidung der Eidgenossenschaft vom Reichsverbande und durch die französischen Eroberungen, während die Zahl der weltlichen Fürsten

  1. Vgl. § 64. 65. 66.
  2. Vgl. § 223 n. 19.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_403.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)