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wir später auszuführen suchen. Wird sich demnach ergeben, dass alle vom Könige belehnten Aebte zu den Fürsten zählten, so fällt das damit zusammen, dass die abbatiae regales später fürstliche waren; finden wir eine Abtei in älterer Zeit als königliche bezeichnet, so dürfen wir vermuthen, ihren Abt später unter den Fürsten zu finden; freilich unter der Voraussetzung, dass die Abtei inzwischen ihre Reichsunmittelbarkeit nicht durch Verschenkung oder anderweitige Veräusserung verloren hatte, wie das so häufig der Fall war. Veräusserung durch das Reich ergibt natürlich, dass bis dahin die Abtei dem Reiche gehörte; in dem uns nächstliegenden dreizehnten Jahrhunderte finden sich freilich nur noch vereinzelte Beispiele. Blosse Erwähnung der Regalien eines Klosters wird uns nur darauf schliessen lassen, dass dasselbe ursprünglich dem Reiche gehörte; die Bezeichnung konnte bleiben, wenn die Investitur auch nach der Veräusserung nicht mehr vom Könige ertheilt wurde.

Der Begriff der abbatia regalis fällt nun aber keineswegs mit dem der abbatia libera zusammen. Allerdings werden auch vorzugsweise die königlichen Abteien als freie, ihr weltliches Rechtsverhältniss als libertas bezeichnet. So sagt K. Heinrich 1002 von Niedermünster: praefatum monasterium – optima ea libertate donamus, qua caetera monasteria regalia ubicunque terrarum nostri regni perfrui videbuntur.[1] Die gewöhnliche Form ist die, dass dem Kloster die Freiheit verliehen oder bestätigt wird, wie sie ein, zwei oder drei andere genannte Reichsabteien geniessen; in der Wahl dieser letztern ist die Reichskanzlei so stätig, dass ich nur vier Mannsklöster, nämlich Fulda, Reichenau, Prüm und Korvei [2], und eben so viel Nonnenklöster, nämlich Quedlinburg, Gandersheim, Essen und Hervord [3], nachzuweisen vermag, welche hier zur Norm dienten. Doch scheint es nicht, dass dadurch eine vor andern Reichsabteien bevorzugte Stellung bezeichnet werden sollte; denn es finden sich Stellen, welche dieses Hervorheben einzelner nur als ein beispielsweises die Gesammtzahl der Reichsabteien vertretendes erscheinen lassen. Vom Nonnenkloster Waldkirch, welches der Herzog von Schwaben ans Reich gab, sagt 994 K. Otto: talem donamus atque largimur libertatem, qualem Augia, Corbeja, aliaque monasteria habent nostri regni, in quibus monachi vel monachae sub regula s. Benedicti digna Deo praebent servitia [4]; Gernrode wird 1029 die Freiheit bestätigt, wie sie Quedlinburg, Gandersheim et ceterae regales abbatiae haben.[5]

225Abbatiae liberae wurden aber vorzugsweise auch die römischen Abteien genannt, insofern wir darunter diejenigen verstehen, welche iuris beati Petri waren, in weltlicher Beziehung der römischen Kirche

  1. Ried 1, 119.
  2. 873-1187: Reg. Karol. n. 834. 1100. imp. 438. 741. 802. 916. Wirtemb. UB. 1, 237. M. B. 31, 219. 428.
  3. 987-1129: Reg. imp. n. 674. 739. 841. 965. Seibertz 1, 21. Lacombl. 1, n. 306.
  4. Schöpflin Bad. 5, 7.
  5. Beckmann 1, 171.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_351.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)