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ungetheilt unter einem Grossherzoge bleiben und diese Würde demjenigen zustehen solle, welcher unter seinen Nachkommen der älteste an Jahren sein würde; dass dagegen die andern Mitglieder des Hauses in Abhängigkeit von jenem mit Antheilen in Mähren auszustatten seien.[1] Dem Reiche gegenüber kam denn auch immer nur der eigentliche Herzog von Böhmen in Betracht, da nur dieser in unmittelbarer Verbindung mit ihm stand. Seit 1182 erscheinen nun aber Böhmen und Mähren als zwei unmittelbare Reichsfürstenthümer; hängt Mähren später wieder von Böhmen ab, so lassen die Worte Gerlachs über die Aussöhnung der Brüder Ottokar und Wladislaw im J. 1197: Wladislaus – confoederatus est germano suo sub tali forma compositionis, ut ambo pariter, ille in Moravia, iste in Bohemia principarentur et esset ambobus, sicut unus spiritus, ita et unus principatus[2], es mindestens ungewiss, ob diese Verhältnisse damals in der später hervortretenden Weise geordnet wurden. Näher möchte es vielleicht noch liegen, an die Erhebung Böhmens zum Königreiche im J. 1198 zu denken, obwohl in der goldenen Bulle K. Friedrichs vom J. 1212, welche wohl nur den Inhalt der in ihr erwähnten, uns verlorenen Erhebungsurkunde K. Philipps wiederholt, Mähren gar nicht genannt wird. Aber wie später mehrfach bei der Erhebung eines Grossen zum Herzoge zugleich eine Herrschaft desselben zur Grafschaft erhoben wurde, so 1357 Falkenburg für Jülich, 1452 Rovigo für Mantua, 1462 Glatz für Münsterberg[3], so heisst es ähnlich in der Urkunde über die 1245 in Aussicht genommene Erhebung Oesterreichs zum Königreiche: Ad decus praeterea regni tui praesentis privilegii auctoritate permittimus, ut de provincia Carniolae ducatum facias, tibi immediate et per te nobis et successoribus nostris et imperio responsurum; et ut in ducatu ipso cognatum tuum fidelem nostrum in ducem valeas promovere, plenam tibi concedimus potestatem.[4] Ist es nun erlaubt, daraus die allgemeine Anschauung abzuleiten, dass das Ansehen des Königs einen von ihm abhängigen Fürsten erfordere, so müsste eine im J. 1198 getroffene ähnliche Bestimmung bezüglich Mährens sehr wahrscheinlich werden.

Sind das Vermuthungen, so besteht doch über die späteren Nachfolgeverhältnisse in Böhmen und Mähren kein Zweifel. Das frühere ohnehin nicht streng eingehaltene Seniorat in Böhmen hörte auf, seit K. Ottokar schon bei Lebzeiten im J. 1216 seinen ältesten Sohn von K. Friedrich belehnen liess[5] und Primogenitur wurde nun zur Regel, wenn gleich die Form der Wahl, von welcher auch die Urkunden K. Friedrichs von 1213 und 1216 reden, dabei gewahrt blieb. Das Bedürfniss nach Theilung konnte sich weniger geltend machen, weil ausser Böhmen noch Mähren zur Verfügung stand, welches dem Thronfolger bei Lebzeiten

  1. Vgl. Palacky 1, 163. 390.
  2. Dobner scr. 1, 128. Vgl. Palacky 1, 56.
  3. Lacombl. 3, n. 565. Lünig c. d. It. 1,1640. Lünig 6b, 329.
  4. Würdtwein n. s. 12, 25.
  5. Huillard 1, 478. Vgl. Palacky 2a, 14. 76.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_273.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2016)