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wo er als stehender Titel vorkommt, wie bei den Fürsten von Oranien und Rügen, ist er ohne Beziehung auf den Reichsfürstenstand entstanden[1]; der Titel eines Fürsten von Anhalt an und für sich würde uns schwerlich genügen dürfen, in den Grafen Reichsfürsten zu sehen.

Wichtiger dürfte es sein, dass sie ohne Zweifel auch von andern norddeutschen Fürsten als Standesgenossen betrachtet wurden. In Urkunden des Bischofs von Brandenburg heisst es schon 1215 illustris comes und 1216 illustris princeps[2]; letztere Bezeichnung findet sich auch in Urkunden der Markgrafen von Brandenburg, der Bischöfe von Magdeburg und Halberstadt, der Aebtissin von Gernrode u. a. gebraucht[3]; in einem Vertrage der Herzoge von Sachsen und Braunschweig erscheint 1258 als Zeuge ingenuus princeps H. comes Ascharie.[4] In brandenburgischer Urkunde von 1233 werden Graf Heinrich und seine Söhne nicht allein als illustres vor den nobiles ausgezeichnet, sondern auch durch Geistliche von ihnen geschieden.[5] Bezeichnender noch heisst es 1310 in einer vom Fürsten von Rügen ausgestellten Urkunde: Presentibus testibus idoneis videlicet dicto W. de Brandenburg marchione et A. de Anhalt comite principibus; Wartislao duce Stetinensi u.s.w.[6] Wären hier die Principes nicht als Reichsfürsten zu fassen, so würde der Herzog von Pommern schwerlich von ihnen ausgeschlossen sein.

Was die Reichskanzlei betrifft, so ist mir aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts keine Stelle bekannt, in welcher die Grafen Principes oder Illustres genannt wurden. Doch möchte ihre Stellung als Zeugen schon ziemlich bestimmt auf den Fürstenstand hinweisen. Gewöhnlich erscheinen sie unmittelbar hinter den erwiesenen weltlichen Fürsten an der Spitze der Grafen.[7] In zu Erfurt 1220 ausgestellter Urkunde K. Friedrichs finden sich hinter andern Fürsten: Henricus comes de Anhalt, Albertus frater eius dux de Berneburch, filii ducis Bernhardi[8]; aber die Urkunde passt nicht ins Itinerar und Albert mag weniger als Herzog von Sachsen, als vielmehr als jüngerer Bruder[9] dem Grafen nachstehen. In zwei andern Urkunden desselben Jahres folgt Anhalt nicht allein unmittelbar auf die Fürsten, sondern es ist auch den angesehensten Magnaten, Limburg und Baden vorgestellt; aber freilich ausser Anhalt das einemal auch der Graf von Holland, das anderemal der von Brene.[10] Ein weit bestimmteres Zeugniss gibt eine Urkunde von 1223, in welcher auf Baiern und Thüringen der Graf von Anhalt folgt, auf diesen vier Pröbste und dann erst der Markgraf von Vohburg und andere Magnaten.[11] In Urkunde von 1234 finden wir die Stellung: Anhalt, Thüringen, Baden, Meissen[12], wo also der Graf


  1. Vgl. § 5. 10.
  2. Beckmann 1, 312. 314.
  3. 1245-1316: Beckmann 1, 177. 189. 264. Riedel 2, 313. Menken 1, 622.
  4. Sudendorf UB. 1, 32.
  5. Riedel 1, 14.
  6. Riedel 1, 290.
  7. Reg. Henr. r. n. 39. 315. 1238: Huillard 5, 220. 222. 232. 235. 240.
  8. Or. Guelf. 4, pr. 8.
  9. Vgl. Albert Stad. ad a. 1211.
  10. Huillard 1, 778. 782.
  11. Huillard 2, 779.
  12. Huillard 4, 668.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_230.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)