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Grafen dem Reichsstaatsrechte vielleicht ganz entschwunden, hätten nicht besondere Verhältnisse für einen Einzelfall darauf zurückgeführt. K. Karl hatte 1362 mit Einwilligung der österreichischen Herzoge die Edlen von Saneck zu Grafen von Cilly erhoben.[1] K. Sigismund, den Grafen verschwägert, beabsichtigte sie zu Reichsfürsten zu machen; war dafür, wie der Erfolg denn auch zeigte, die Zustimmung des Landesherrn kaum zu erwarten, so würde sich das Haus Oesterreich in seinen Interessen unzweifelhaft noch mehr verletzt gefühlt haben, hätte man die Grafen, wie doch damals üblich war, zugleich zu Herzogen erhoben. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich dieses Bedenken als massgebend für die Form der Erhebung ansehe. Schon 1430 erhob K. Sigismund seinen Schwiegervater Hermann und dessen Nachkommen in den Reichsfürstenstand[2]; die mir nur im Auszuge bekannte Urkunde scheint nicht veröffentlicht worden zu sein, da auch die Chronik der Grafen nur von der Absicht weiss[3], und wir 1436 eine weitere Urkunde des Kaisers finden, in welcher er erklärt, dass er seinen Schwager Grafen Friedrich und dessen Erben gefürstet undt zu gefürsten graffen geschöpfft, erhoben, gesetzt undt gemacht und ihre Grafschaften Cilly, Ortenburg und Sternberg zu einem rechten undt wahren fürstenthumb – des h. Röhm. reichs erhoben habe, wovon sie ewiglich fürsten undt gefürst graffen genandt sein undt bleiben sollen mit allen Rechten, welche andern fürsten undt gefürst graffen des Röhm. reichs zustehen.[4] Die Herzoge von Oesterreich weigerten sich, diese Erhebung anzuerkennen; es entstanden lange Streitigkeiten, welche erst 1443 durch einen Erbvertrag geschlichtet wurden, wobei der K. Friedrich die Grafen nochmals, anscheinend ohne die frühere Erhebung zu berücksichtigen, zu gefürsteten Grafen erhob.[5]

Der Besitz der gefürsteten Grafschaft Cilly mag für die Habsburgischen Kaiser Veranlassung gewesen sein, seit dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts denselben Ausdruck auf eine Reihe von Grafschaften, welche sie besassen oder wovon sie doch den Titel führten, zu übertragen; so nennen sich K. Maximilian I. und seine Nachfolger für Habsburg, Tirol, Burgund, Flandern, Görtz, Artois, Holland, Seeland, Pfirt, Kiburg, Namur und Zütphen mehrfach princeps et comes oder gefürsteter Graf oder auch Pfalzgraf[6]; doch ist über eine besondere Erhebung derselben zu Fürstenthümern nichts bekannt, wie eine solche auch schon durch das schwankende Auftreten des Titels unwahrscheinlich werden muss. Ebenso wenig scheint das der Fall gewesen zu sein bei Mömpelgard, welches zuweilen gefürstete Grafschaft genannt wird, unzweifelhaft nur desshalb, weil seine Besitzer dem fürstlichen Hause Würtemberg angehörten und eine Stimme davon im Reichsfürstenrathe geführt wurde.[7]

  1. Hahn coll. 2, 748.
  2. Chmel Materialien 1. 16.
  3. Hahn coll. 2, 686.
  4. l. c. 756.
  5. Reg. Fr. IV. n. 1511. 1512. Vgl. Aeneas Sylvius de viris ill. ed. Stuttg. 46.
  6. Vgl. Vitr. ill. 2, 709. 715.
  7. Vgl. Vitr. ill. 2, 714. Moser 35, 159.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_147.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)