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Bd. 6 Religio; 5, 2 Pontificii libri; 4, 1 Juris consulti; 2. Divinatio. – Um so eher aber konnte Israel ein geschriebenes Gesetz haben, als es inmitten der alten Kulturwelt lebte.

 Auch daß sein Volkstum von Anfang an ein priesterlich verfaßtes war, hat nichts unwahrscheinliches. War denn nicht auch Ägypten priesterlich verfaßt? Ist es das indische Volk nicht noch bis zum heutigen Tag? War denn nicht das ganze öffentliche Leben der Römer von Religion durchzogen? Denken wir uns Delphi mit seinem Priesterorakel hinweg, was bleibt von der griechischen Geschichte? – Darum daß Israel priesterlich verfaßt war, fehlten ihm die Züge eines wirklichen Volkstums nicht. Es hatte seine Stämme mit ihren Obersten, es bildete eine streitbare Macht, es erfreute sich politischer Freiheit und Selbständigkeit, es war ausgezogen, um ein Land einzunehmen und eine Heimat sich zu erkämpfen und hatte bereits vor dem Übergang über den Jordan den Anfang dazu gemacht. So erscheint Israel im Pentateuch, sonderlich in Numeri. In allen diesen Beziehungen unterscheidet es sich zugleich wesentlich von der nachexilischen Gemeinde, die Projektion entspricht nicht dem projicierenden Gegenstand.

 Im Priesterkodex sieht W. die schriftliche Fixierung der heiligen Praxis, die sich vor dem Exil ausgebildet hatte. Er gesteht zu, daß nach der allgemeinen Meinung der vorexilischen Zeit der Kultus alter Brauch sei. Die Anschauung aber, daß es nur eine Weise des Gottesdienstes geben könne, nämlich nur die im Priesterkodex fixierte, erklärt er für eine Nachwirkung der unter Josia geschehenen Centralisierung des Kultus. – Die Annahme eines Zusammenhangs dieser Anschauung mit irgend einer Centralisation dürfte etwas Richtiges an sich haben. So sehen wir die Uniformierung des röm. Kultus heutzutage sich vollziehen infolge der von den Jesuiten jetzt wieder besonders geltend gemachten Centralstellung Roms. Ein solcher Prozeß, wie ihn W. annimmt, setzt aber doch voraus, daß eine Einrichtung, wie sie Josia getroffen hat, sich einlebt, eine geschichtliche, selbständige Realität und so im Volksbewußtsein eine Macht wird. Das kann man von der Einrichtung Josias gar nicht sagen. Nicht ganz 13 Jahre nach seiner Reformation ist Josia gefallen; es folgten nun Zeiten unaufhörlicher Verwirrung, in denen sich schwerlich eine feste Tradition bilden konnte, auch wenn die folgenden Könige dem Vorgänger gleich gewesen wären, was bekanntlich nicht der Fall war. 22 Jahre nach Josias Tod ging Juda überhaupt zu Grunde. – Es mußte also der „nach dem Untergang Jerusalems fixierten Tradition“ ihr ausschließliches Ansehen anders woher kommen, als aus der Centralisierung Josias, nämlich aus der Zeit einer früheren Centralisierung, jene Kultusordnung muß schon früher einmal vom ganzen Volk als ausschließlich richtige anerkannt worden sein. Es bleibt hiefür keine andere Zeit übrig, als die Zeit, da Israel unter Moses und Josua einheitlich zusammengefaßt war. – Gegen das Vorhandensein des Opferkodex in vorexilischer Zeit führt W. Aussprüche der Propheten an. Opfer nämlich seien zwar immer gebracht worden, aber worauf der Priesterkodex den