Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/45

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sollte die Konzentration des Gottesdienstes in der Hauptstadt dienen. Priester und Propheten wirkten zu dieser Reform zusammen; ihre Bestrebungen kommen im Deuteronomium zum Ausdruck. Obwohl es das jehovist. Gesetz zur Vorlage hat, tritt es in einem Punkt ihm doch entgegen, indem es nämlich den Gottesdienst auf einen einzigen Ort beschränkt. Das alte Material, das der Verfasser sonst benützt, gestaltet er überall nach dieser Rücksicht um (so wenn er z. B. gestattet zu schlachten ohne zu opfern, Deut. 12). Aus dem geschichtlichen Anlaß der Reformbewegung ist es entstanden, und in den geschichtlichen Prozeß war es bestimmt einzugreifen. Es liegt nahe zu glauben, daß eben das Deuteronomium jenes Buch gewesen sei, welches den König Josia zur Reform bestimmte, da es wie kein anderer Teil des Pentateuchs die Forderung der Einheit des Gottesdienstes zum Ausdruck bringt.

.

 Zuletzt entstand der Priesterkodex oder die elohist. Quelle. Aus dem Exil war Israel zurückgekehrt, nicht als Volk, sondern als einheitliche religiöse Gemeinde, eine Heiligherrschaft mit Zentralheiligtum, mit festbestimmten Opfern, Festen und organisiertem Klerus. Das israelitische Altertum zeigte nicht eine dem entsprechende Gestalt, soweit es in Geschichtsbüchern vorlag. Die nachexilische Zeit schuf sich daher für ihren dermaligen Zustand, den sie für den normalen hielt, eine entsprechende Grundlage historischer Art im Priesterkodex; dieser rückt denselben hinauf bis in die Anfänge der Theokratie, bis in die Wüstenwanderung; auch damals war schon alles so wie jetzt; so erdichtet er eine der nachexilischen Zeit entsprechende Vergangenheit; er hält sich dabei so streng innerhalb der von ihm angenommenen geschichtlichen Situation, daß es ihm gelingt, seine wahre Abfassungszeit vollständig (!) zu verschleiern. Er steht auf dem Erfolg, den die Reformpartei mit dem Deuteronomium hatte. Das Deuteronomium lag ihm bereits als ein mit dem Jehovisten verbundenes Werk vor. Nach dieser Vorlage arbeitete auch er die Geschichte in sein Buch, welches eigentlich bloß Wüstengesetzgebung sein wollte, mit herein. In der Patriarchengeschichte kennen die dem Priesterkodex angehörigen Stücke keine Altäre, keine Opfer; die Patriarchen halten sich von allem fern, wodurch sie dem Privileg des einzig wahren Heiligtums vorgreifen könnten. Die ganze vormosaische Geschichte zielt nach dem Priesterkodex auf den Bund am Sinai. Abgesehen von den verschiedenen Bundesschließungen mit Adam (?), Noah, Abraham (c. 17) besteht der Zusammenhang der Vorgeschichte im Priesterkodex in Genealogie und Chronologie; die Individualität der Erzählungen ist im Priesterkodex abgestreift, wie die lokale Färbung; der ganze Stoff der Sage ist legislativen Zwecken untergeordnet. Dem Geist der Sage, in dem der Jehovist lebte, ist der Verfasser des Priesterkodex vollständig entfremdet. Moses ist dem Priesterkodex nicht der Erlöser aus Ägypten und Führer durch die Wüste, sondern lediglich der Religionsstifter und Gesetzgeber, dessen Thätigkeit in diesen Stücken aufgeht. In der Geschichte des Wüstenzuges zeigt der Verfasser eine besondere Vorliebe für unfruchtbare Namen und Zahlen; man sollte dieselben für historisch halten; aber die unglaubliche Nüchternheit ist dennoch Phantasie. Er