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Bücher auf; aber diese Zweifel kamen gegen die uralte, fest und wohl beglaubigte Überlieferung so wenig auf, daß die Synode von Hippo 393 die Apokalypse als kanonisches Buch erklärte. – Seitdem hat man oftmals gezweifelt, auch Luther „mangelt an diesem Buche nicht einerlei, daß er’s weder für apostolisch noch für prophetisch halten will“. Aber er bindet niemand an seinen „Dünkel“ und sein „Urteil“, und die Kirche ist seiner Meinung nicht beigetreten, sondern die Apokalypse ist noch jetzt als Schrift des Apostels und Evangelisten Johannes ein Teil des Kanon.

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 2. In der That bedarf es für die Kirche einer apostolischen Schrift, wie es die Apokalypse ist. Sie ist das prophetische Buch des N. Testaments. Ihre Absicht ist, den schließlichen Ausgang der Kirche Gottes darzustellen, namentlich soferne derselbe bedingt ist durch die Stellung der Kirche zum Weltreich. Von diesem Gesichtspunkte weissagen schon Sacharja und Daniel vom Ende Israels. Was nun diese Propheten innerhalb der Schranken der alttestamentlichen Heilsökonomie verkündet haben, das nimmt der Seher des N. Testaments wieder auf und vollendet es. – Es läßt sich dabei nicht in demselben Sinne, wie bei anderen Schriften des N. Testaments von einem geschichtlichen Anlaß sprechen. Aber nichtsdestoweniger wird die Zeit ins Auge zu fassen sein, in welcher diese Offenbarung gegeben worden ist. Es war aber dies der Zeitpunkt, wo der Gegensatz zwischen der Kirche Christi und dem Reiche der Welt sich immer mehr verschärfte. Die furchtbare Verfolgung unter Nero lag dahinten; auf sie war einige Dezennien später die Verfolgung unter Domitian gefolgt. In beide Zeiten, ins Jahr 68 oder 95 (mit mehr Recht in letzteres auf Grund des ausdrücklichen Zeugnisses des Irenäus) verlegt man die Entstehung der Apokalypse. Damals offenbarte sich der Gegensatz zwischen der Kirche und dem Weltreich, und die Kirche bedurfte der Antwort auf die Frage, wie dieser Kampf noch enden möge. Die Antwort der Apokalypse lautet dahin, daß die Kirche endlich siegen werde, wenn der HErr kommen und seine Feinde richten wird, und daß sie gerade dann, wenn es mit ihr aus zu sein scheine, ihren höchsten Triumph feiern dürfe.[1] – Auch die inneren Zustände der Gemeinden, wie sie in den sieben


  1. In der That war unsere Offenbarung in den Zeiten der Verfolgung (z. B. für die Gemeinde zu Vienne) die Quelle reichen Trostes.